Infos rund um die wichtigsten Vorsorgethemen
Sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, bereitet den meisten Menschen Unbehagen. Daher trauen sich viele von ihnen nur zögerlich an Themen wie Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Testament heran. Dabei macht es durchaus Sinn, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen, wie mit dem eigenen Hab und Gut, aber auch in Gesundheitsfragen verfahren werden soll, wenn man einmal nicht mehr in der Lage ist, selbst darüber zu entscheiden.
Für den MHH-Vorsorgetag am 21.09.2020 haben unsere Referenten kompaktes Wissen rund um die zentralen Vorsorgethemen zusammengetragen. Falls Sie Veranstaltung verpasst haben, müssen Sie auf unsere Vorsorge-Infos jedoch nicht verzichten. Auf dieser Seite finden Sie die Mitschnitte aller Vorträge. Viel Spaß beim Anschauen!
Fragen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
mit Antworten von Dr. Gerald Neitzke
Meine Eltern sind vor einem Vierteljahrundert gestorben und hatten damals ganz sicher noch keine Patientenverfügung. Seit wann gibt es überhaupt die Möglichkeit, dem eigenen Willen auf diese Weise Ausdruck zu verleihen?
Der Erste, der damit angefangen hat, war Professor Wilhelm Uhlenbruck 1978. Er war Jurist und hat sich damals gefragt: "Wenn ich zum Arzt gehe und dieser eine Behandlung vorschlägt, werde ich gefragt, ob ich das möchte oder nicht. Wieso kann ich das nicht auch aufschreiben für den Fall, dass ich in dem Moment, in dem die Behandlung erforderlich wird, nicht sprechen kann." Und dann hat er es einfach gemacht. Seither hat sich die Patientenverfügung immer mehr weiterentwickelt. Etwa 2003 hat sich der Bundesgerichtshof eigentlich abschließend mit dem Thema "Patientenwille und Patientenverfügung" beschäftigt, noch bevor das Ganze gesetzlich geregelt wurde. Das Gesetz ist von 2009.
Mich würde interessieren, wie viele der Patienten, die in so eine akute Notsituation kommen und bei Ihnen eingeliefert werden, haben tatsächlich eine Patientenverfügung und/ oder Vorsorgevollmacht dabei?
Deutschlandweite Studien zeigen - und ich kann das von der MHH bestätigen -, dass von den intensivmedizinisch behandelten Patientinnen und Patienten etwa ein Viertel Vorsorgedokumente hat.
Ich befürchte, dass ich mich in meiner Patientenverfügung nicht gut genug ausdrücke, da ich nicht über medizinisches oder juristisches Fachwissen verfüge. Was muss ich bei der Formulierung meiner Patientenverfügung beachten?
Wie Sie eine Patientenverfügung abfassen, das ist ganz allein Ihre persönliche Sache. Schreiben Sie die Dinge genau so auf, wie Sie sie denken. Mir als Arzt hilft es weniger, wenn Sie einen juristisch wasserdichten Text unterschrieben habe, bei dem ich bis zuletzt Zweifel habe, ob Sie überhaupt alles verstanden haben. Es geht ja um Ihren Willen. Und damit wir diesen nachvollziehen können, ist es gut, wenn Sie konkret werden. Nicht so ideal sind z.B. Sätze wie "Ich möchte mal nicht an Maschinen hängen.", weil die Aussage keine Wenn-dann-Logik hat. Wann wollen Sie nicht an Maschinen hängen? Nie und unter keinen Umständen? Oder nur dann, wenn Sie im Sterben liegen? Oder wenn Sie nicht mehr zu Bewusstsein kommen? Solche Fragen können helfen, den eigenen Willen zu konkretisieren.
Oder wenn Sie Beispiele nennen: "Meine Schweigermutter war so dement, dass sie nicht mehr wusste, wie sie heißt, und ihre Kinder nicht mehr erkannt hat. Wenn es bei mir einmal so weit ist, dann möchte ich keine Medizin. Ich möchte nicht reanimiert werden, ich möchte nicht auf die Intensivstation, ich will keine Maschinen, ich will keine Medikamente." Und dann wünsche ich mir, dass Sie noch etwas zu künstlicher Ernährung sagen, und dann haben Sie das Wichtigste auch schon abgedeckt. Und Sie haben mit Ihren Worten geschildert, was Sie erlebt haben und warum Sie keine intensivmedizinische Betreuung wollen.
Eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht zu erstellen, kann vor allem für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, eine Herausforderung sein. Wie kann man diese Menschen unterstützen?
Wenn es sprachliche Hindernisse gibt, bin ich persönlich der Meinung, das sollte ein Thema in den Familien sein. d.h. dass die nächste Generation mit den Eltern darüber spricht. Außerdem gibt es speziell in Hannover das Institut für transkulturelle Betreuung, wo Sie sich in Ihrer jeweiligen Muttersprache zu den Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht beraten lassen können:
Institut für transkulturelle Betreuung
(Betreuungsverein e.V.)
Freundallee 25
30173 Hannover
Tel.: (0511) 590 920 - 0
E-Mail: info@itb-ev.de
Aufgrund der Corona-Pandemie ist der Besuch momentan nur nach vorheriger Anmeldung (telefonisch oder per E-Mail) und unter Einhaltung der aktuellen Hygienevorgaben möglich.
Grundsätzlich ist es Ihre Vollmacht und Sie können hineinschreiben, was Sie möchten. Aber: Wenn Sie mehrere Personen mit gleichen Rechten einsetzen, ist es so, dass wir immer alle fragen müssen und diese gleichsinnig entscheiden müssen. Sie sehen, das funktioniert nicht. Wenn Sie also mehrere Personen einsetzen möchten, dann verwenden Sie am besten ein Ranking. Sie können zum Beispiel Ihren Ehepartner an erster Stelle nennen, und ergänzen, dass für den Fall, dass Sie mit Ihrem Ehepartner gemeinsam einen Unfall haben und er in dem Moment auch nicht für Sie entscheiden kann, Ihr Bruder zum Bevollmächtigten wird. Ein Ranking funktioniert immer und ist auch sinnvoll, denn es kann ja immer sein, dass die eine Person, die Sie bevollmächtigt haben, nun ausgerechnet mit Ihnen zusammen in so ein Desaster geraten ist.
Alternativ können Sie mehrere Personen, die jede für sich allein entscheidungsberechtigt sind, einsetzen. Das bedeutet, dass, wer immer von den Personen gerade da ist, die Entscheidung treffen darf. Das kann für uns Ärzte allerdings schwierig werden, wenn jeden Tag ein anderer kommt und die bevollmächtigten Personen den Patientenwillen unterschiedlich einschätzen. Sie sollten bei dieser Lösung also vorher mit den betreffenden Personen sprechen, um herauszufinden, ob diese wirklich an einem Strang ziehen.
Die dritte Möglichkeit ist, die verschiedenen Aufgabenbereiche auf verschiedene Personen auftzueilen und z.B. die Gesundheitsvorsorge der einen Person zu übertragen und die Vollmacht für die finanziellen Belange einer anderen.
Gibt es vorformulierte Patientenverfügungen oder passgenaue Textbausteine für Nierenkranke bzw. Dialysepatienten und Transplantierte?
Mir sind keine Texte in dieser Richtung bekannt. Manchmal gibt es so etwas über die Selbsthilfe- oder Patientenorganisationen. Wichtig bleibt aber, dass die Person sich über ihre Lebensqualität Gedanken macht. Das ist ja bei Transplantierten nicht anders als bei Gesunden: Welches Therapieziel würde ich noch erreichen wollen, welche Lebensqualität ist das Minimum, für das ich kämpfen würde.
Fragen zur Testamentsgestaltung
mit Antworten von RA Torsten Bruns
Mein Mann und ich waren kinderlos und haben gemeinsam ein Berliner Testament aufgesetzt. Nun ist er vor zwei Jahren verstorben und ich würde das Testament eigentlich gerne um Vermächtnisse ergänzen und z.B. verfügen, dass meine Nichte nach meinem Tod meine Perlenkette bekommt. Ist das möglich?
Das hängt davon ab, was Sie in dem Testament verfügt haben. Normalerweise ist es so, dass Sie nach dem Tode desjenigen, mit dem Sie ein gemeinschaftliches Testament verfasst haben, nicht mehr davon abweichen dürfen - es sei denn, Sie haben in das Testament hineingeschrieben, dass der oder die Überlebende von Todes wegen neu verfügen darf. Ist dies nicht der Fall, bleibt das gemeinschaftliche Testament bindend, und alle späteren Ergänzungen haben keine Gültigkeit. Alternativ haben Sie natürlich die Möglichkeit, Ihre Perlenkette schon zu Lebzeiten ihrer Nichte zu schenken.
Ich bin geschieden und lebe allein. Meine Eltern sind bereits verstorben, aber ich habe noch einen Bruder und eine Schwester. Kann ich in meinem Testament z.B. eine Stiftung als Alleinerbin einsetzen, oder könnten meine Geschwister Einspruch erheben und einen Pflichtteil einfordern? Und kann ich, wenn ich die Stiftung als Alleinerbin einsetze, trotzdem noch meiner Schwester und einer Freundin etwas vermachen?
Da Geschwister nicht pflichtteilsberechtigt sind, ist die Einsetzung einer Stiftung als Alleinerbin unproblematisch. Wenn Sie im Testament auch Vermächtnisse für Ihre Schwester und eine Freundin festlegen, haben diese im Erbfall gegenüber der Stiftung ein Recht auf Herausgabe der Vermächtnisse. Das wäre eine klare Regelung.
Wenn ich von meiner geschiedenen Frau als Vorerbe eingesetzt werde, um z.B. das Haus zu erhalten, was bedeutet das steuerrechtlich für mich? Wir sind ja nicht im eigentlichen Sinne verwandt.
Die Freibeträge des geschiedenen Ehegatten sind geringer. Wir haben das Steuerrecht heute bewusst ausgeklammert, weil das einfach zu weit führen würde. Aber in der geschilderten Konstellation haben wir tatsächlich zwei steuerrechtlich relevante Fälle, denn sowohl der Vorerbe als auch die Schlusserben können erbschaftsteuerpflichtig werden.
Manchmal sieht man ja in Filmen, dass Herren in fortgeschrittenem Alter anfangen, z.B. mit einer jüngeren Frau das Leben noch einmal voll zu genießen und das Ersparte, wie man so schön sagt, "auf den Kopf zu hauen". Da stellt sich mir die Frage, wieviel Verantwortung man eigentlich gegenüber seiner Erbmasse hat?
Mit meinem Geld kann ich bis zum letzten Atemzug tun und lassen, was ich möchte. Da kann mir niemand reinreden.
Wenn ich mein Testament mache und es so sicher deponiere, dass es erst nach fünf Jahren gefunden wird, ist das Erbe dann bereits verjährt?
Nein. Die Verjährungsfrist gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem das Testament gefunden, beim Gericht abgegeben und dort eröffnet wurde. Dann erst beginnen die drei Jahre.
Gibt es ein Buch, das Sie empfehlen können, das die wesentlichen Aspekte der Testamentsgestaltung zusammenfasst, so dass man alles mal kompakt vor Augen hat?
Es gibt durchaus Bücher zur Testamentsgestaltung, aber das Thema ist so komplex, dass ich Ihnen empfehle: Sparen Sie sich das Geld für das Buch und gehen Sie lieber zu einem Fachanwalt, der Sie individuell beraten kann. Das gilt umso mehr, wenn es um schwierige Familienkonstellationen geht.