Ein Leben für Theo

Wenn Theo lacht, ist es jedes Mal ein Ja zum Leben. Wir haben nicht gedacht, dass wir jemals ein so "normales Leben" mit unserem kleinen Helden führen können, aber wir hatten großes Glück. Das ist unsere Geschichte, die wir gerne mit euch teilen möchten. Denn sie ist herzzerreißend, anstrengend, mutig, lebendig, hoffnungsvoll und jetzt gerade einfach nur wunderschön.

Theo liegt in einem Intensivbett für Kinder. Copyright: privat / Theos Familie
Copyright: privat / Theos Familie

Ein herausfordernder Start ins Leben

Wir wussten schon während der Schwangerschaft, dass etwas mit dem kleinen Mann in meinem Bauch nicht in Ordnung war. Er wuchs nicht richtig, und es gab viele Komplikationen. Am 8. September 2021 kam Theo in der 33. Woche per Kaiserschnitt in Berlin-Tempelhof zur Welt. Er wog 1335 Gramm und war nur 38 cm groß. Wir durften ihn kurz sehen, danach kam er direkt auf die Intensivstation und wurde über eine Maske beatmet. Kurze Zeit später musste er einen Tubus gelegt bekommen. Seine Lunge arbeitete nicht richtig, und es stellte sich relativ schnell heraus, dass die Ärzt:innen ratlos waren, was für eine Krankheit Theo hatte. Es gab viele Gentests, wilde Spekulationen, verschiedene Krankheitsbilder, die uns um die Ohren gehauen wurden – die sich alle nicht bestätigten. Die Unwissenheit und die Sorge um ihn haben uns fast aufgefressen.

 

Unerwartete Rettung

Letztlich hatten wir Glück im Unglück. Da die Ärztin vor Ort nicht mehr weiter wusste und uns nahegelegt hatte, uns damit abzufinden, dass Theo sterben wird, sollten wir in ein Hospiz gehen. Wir waren am Ende und verzweifelt. Es war die schlimmste Zeit in unserem Leben. Aber da wir immer noch keine Diagnose hatten, nahm ich alle Kraft zusammen und kontaktierte auf eigene Faust die Charité. Theo brauchte eine Lungenbiopsie, um festzustellen, was mit seiner Lunge nicht stimmte. Wir befanden uns mitten in der Corona-Zeit und die Charité führte nur lebensnotwendige Untersuchungen durch. So kam der Kontakt zu Dr. Nicolaus Schwerk an der Medizinschen Hochschule Hannover (MHH) zustande. Und das war das Beste, was uns jemals passieren konnte.


Theo sitz am Tisch und ließt ein Buch. Im Hintergrund sieht man die Sauerstoff-Container. Copyright: privat / Theos Familie
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Endlich eine Diagnose

Am 6. Dezember 2021 wurden wir mit einem Intensivtransport von Berlin nach Hannover verlegt. Wir wurden hier sehr gut aufgenommen und unterstützt. Ich blieb bei Theo in Hannover und kam im Haus Schutzengel unter. Tobias musste arbeiten und pendelte zwischen Berlin und Hannover. Es war eine sehr harte Zeit für uns. Nach wenigen Wochen bekamen wir dann die Diagnose, die uns lange gefehlt hatte. Theo hat die Generkrankung STAT 3 GOF. Diese ist unfassbar selten und wie eine Wunderkiste, weil sie alle Organe und Körperfunktionen angreifen kann. Sie ist auch nicht heilbar, aber wir haben sie mit Medikamenten ganz gut in den Griff bekommen.

 

Hoffnung und Sorge: Theos Heimweg

Bis es Theo besser ging, war es ein langer Weg. Nachdem sich sein Zustand nach ein paar Wochen so verschlechtert hatte, lag er auf der Intensivstation, und wir mussten schwere Entscheidungen treffen, wenn sich sein Zustand noch weiter verschlechtern sollte. Wir rechneten mit dem Schlimmsten. Aber Theo kämpfte und kam zurück. Und wir wollten nach Hause. Mithilfe eines fabelhaften ambulanten Pflegeteams war das möglich. Theo hatte einen Highflow mit 15 Liter Flow und zusätzlich 15 Liter Sauerstoff pro Minute. Ein Kind wie Theo war eigentlich nicht zuhause. Weil es Schwierigkeiten mit dem Transport gab, hat Dr. Schwerk uns persönlich im Krankenwagen nach Berlin begleitet. Aber wir haben es geschafft. Wir haben sogar Theos ersten Geburtstag bei uns im Garten gefeiert. Er konnte nur ganz kurz nach draußen – ohne Highflow, aber mit Sauerstoff in der Nase. Alle waren da – Freunde, Familie, Nachbarn, die Pflegerinnen. Es war wunderschön und traurig zugleich, weil wir nicht wussten, ob es vielleicht der letzte Geburtstag sein würde, den wir mit ihm feiern.


Theos Familie im Garten. Theo bekommt über einen Schlauch Sauerstoff. Sowohl Mutter als auch Vater tragen Geräte, damit theo Sauerstoff bekommen kann.  Copyright: privat / Theos Familie
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Der Anruf, der alles veränderte

Zweimal standen wir vor der Entscheidung, ob wir Theo auf die Warteliste für eine neue Lunge setzen lassen wollten. Beim ersten Mal entschieden wir uns dagegen. Beim zweiten Mal, nach einigen Monaten zuhause, in denen er sich sonst fabelhaft entwickelt hatte, nur seine Lunge eben nicht, entschieden wir uns dafür. Und nur kurze Zeit später stand unser Leben wieder Kopf. Anfang November 2022 klingelte gegen 23 Uhr das Telefon: Es gäbr möglicherweise eine Lunge für Theo. Wir waren erst seit drei Tagen auf der Transplantationsliste. Ich habe am ganzen Körper gezittert und gestottert. Danach ging alles ganz schnell. Die MHH organisierte den Transport, und wir fuhren noch in der Nacht nach Hannover. Theo war ganz ruhig und entspannt. Auch als wir auf der Station 63 ankamen, war er gut drauf und lachte die ganze Zeit. Das Video, das ich meinen Eltern schickte, als wir auf die weiteren Untersuchungen warteten, zeigte ihn freudig – als ob er wusste, dass am Ende alles gut werden würde. Die Lunge kam von einem kleinen Jungen, dessen Eltern in ihrer schweren Stunde eine Entscheidung getroffen haben, die Theo das Leben gerettet hat. Die Lunge passte perfekt. Nach sieben Stunden im OP kam der Anruf, dass alles gut gegangen war, und wir durften kurz danach zu ihm.


Theo liegt mit Tracheostoma in einem Intensivbett, neben ihm ein Löwe. Copyright: privat / Theos Familie
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Erste Herausforderungen nach der Transplantation

Die erste Zeit nach der Transplantation war unheimlich kräftezehrend. Es lief nicht alles komplikationslos, und nach einem guten Start verschlechterte sich Theos Zustand. Wir entschieden uns auf Anraten der Ärzte dazu, einem Tracheostoma zuzustimmen, um Theo beim Atmen zu helfen. Das fiel uns schwerer als die Entscheidung, Theo auf die Transplantationsliste setzen zu lassen. Nach über einem Monat auf der Intensivstation wurden wir mit ihm auf die Normalstation entlassen. Wir lernten die Medikamente aufzuziehen, die Tracheostomapflege und vor allem auch den Umgang mit ihm. Ehrlicherweise waren wir oft kaputt und am Ende. Ich arbeitete nebenher aus dem Homeoffice weiter und hatte sehr viel Glück, dass ich einen so verständnisvollen Arbeitgeber habe. Wir haben uns wahnsinnige Sorgen gemacht, mit Tracheostoma nach Hause entlassen zu werden. Aber Theo hat gekämpft. Wie immer. Und nach 3,5 Monaten im Krankenhaus durften wir mit ihm nach Hause. Ohne Tracheostoma und nur mit etwas Sauerstoff.

 

So viele kostbare Momente mit Theo

Seitdem hat sich unser Leben komplett verändert. Wir können mit Theo den Raum wechseln, ohne große Sauerstoffcontainer hinter uns herzuschieben oder den High Flow vorheizen zu müssen. Wir können ihn einfach in den Kinderwagen packen und mit ihm rausgehen. Er ist viel mobiler und kräftiger geworden und entwickelt sich prächtig. Er hat angefangen zu lautieren, was wunderschön ist, weil wir immer dachten, dass er vielleicht nicht sprechen können wird. Wir waren schon mit ihm im Urlaub am Meer und an der See, wir waren in der Reha in den Bergen und haben zum ersten Mal seit langer Zeit unsere Familien in NRW besuchen können. Wir haben ein Leben, und dafür sind wir unglaublich dankbar.


Copyright: privat / Theos Familie
Copyright: privat / Theos Familie

Natürlich läuft nicht immer alles glatt, Theo hatte schon eine akute Abstoßung der Lunge, und auch die vielen Medikamente bringen viele neue Probleme mit sich. Wir sind regelmäßig in Hannover zu Kontrollen. Tobias musste seine Elternzeit verlängern, damit er Theo zu Hause betreuen kann, weil er natürlich noch nicht in eine Kita oder zu einer Tagesmutter gehen kann. Trotzdem ist es das alles wert.

 

Es bleibt nur noch eins zu sagen: Danke!

Ein wichtiges Anliegen ist es uns, das kompetente Ärzte- und Chirurgenteam, das so liebenswürdige Pflegeteam und die tollen Physiotherapeutinnen (Danke, Frau Münkel!) der Stationen 63 und 67 hervorzuheben und unseren Dank auszusprechen, den wir gar nicht in Worte fassen können. Wir sind so unglaublich froh, dass wir während Corona nicht in der Charité in Berlin aufgenommen werden konnten und stattdessen bei Frau Dr. Carlens, Herrn Dr. Müller, Frau Dr. Seidemann, Herrn Dr. Jack, Herrn Dr. Köditz, Herrn Dr. Bobylev und Herrn Dr. Witte und vielen anderen gelandet sind. Gemeinsam mit Pfleger:innen der beiden Stationen haben sie jeden Tag mit uns gekämpft.

Nur wenige wissen so gut wie wir, wie wichtig es ist, dass es einen Arzt gibt, der an einen glaubt. Deshalb ist es uns besonders wichtig, Herrn Dr. Schwerk gesondert zu erwähnen. Ohne ihn wäre Theo nicht mehr am Leben. Für seine Menschlichkeit, seinen Glauben an uns, seine Ehrlichkeit, Beharrlichkeit und sein immer offenes Ohr sind wir ihm auf ewig dankbar.

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