Versorgungsschwerpunkte
Eine alleinige kieferorthopädische Behandlung kann bei Patienten mit einer ausgeprägten Kieferfehlstellung (Dysgnathie) häufig nicht zu einem funktionell und ästhetisch befriedigenden Ergebnis führen. In diesen Fällen bieten wir im späten jugendlichen Alter und bei Erwachsenen eine operative Korrektur (Umstellungsosteotomie) der Kiefer an. Die Behandlung erfolgt dabei immer interdisziplinär in Abstimmung mit dem niedergelassenen Kieferorthopäden oder der Klinik für Kieferorthopädie der Medizinischen Hochschule Hannover.
In unserer Dysgnathie-Sprechstunde beraten wir Sie über den operativen Teil einer kombiniert chirurgisch-kieferorthopädischen Behandlung. Bei Bedarf wird die notwendige fachliche Koordination mit dem behandelnden Kieferorthopäden eingeleitet. Bis zur etwaigen Operation sind in der Regel 2-3 Vorstellungen in unserer Sprechstunde notwendig. Die gesamte kieferorthopädische und kieferchirurgische Behandlungsdauer beträgt im Schnitt 2-4 Jahre.
Angebotene Operationen:
- Umstellungsosteotomien von Ober- und Unterkiefer, Verfahren nach Obwegeser/Dalpont
- Chirurgisch-unterstützte Gaumennahterweiterung
- Distraktion von Ober- und Unterkiefer
- Kinnplastik
- Korrektur-Operationen bei syndromalen Fehlbildungen, z.B. M. Crouzon, Goldenhar Syndrom
Die präoperative Planung der dysgnathie-chirurgischen Eingriffe kann bei ausgeprägten Fehlstellungen digital erfolgen. Die für den operativen Eingriff benötigten zahngetragenen Positionierungssplinte werden nach CAD-CAM im 3D-Druckverfahren in unserem hauseigenen Zahntechniklabor hergestellt.
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen zur Sprechstunde mit:
- Krankenversicherungskarte
- Vorbefunde
- Röntgenbilder (im DICOM-Format auf CD in unverschlüsselter Form mit schriftlichem Befund)
- Aktuelle Medikamentenliste
- Ggf. Patientenausweise (z. B. Schrittmacherausweis, Anästhesieausweis, Allergiepass, Marcumarpass)
- Aktuelle Zahnmodelle
- Ärztliche Überweisung
- ggf. Arztbrief vom Kieferorthopäden
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen bei stationärer Aufnahme mit:
- aktuelle Zahnmodelle (nicht älter als 4 Wochen)
- ggf. aktuelle Röntgenaufnahmen
SPRECHSTUNDE: MITTWOCHS, 14:00 – 16:00 UHR
TERMINVEREINBARUNG: +49 (0) 511 532 64781
Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten gehören mit einem Auftreten von etwa 1:500 Geburten zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Wird bereits in der Schwangerschaft eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte festgestellt, können sich die werdenden Eltern zu einem Beratungsgespräch vorstellen und somit das Behandlungsteam und Therapiekonzept kennenlernen. Wird die Spaltfehlbildung hingegen erst nach der Geburt festgestellt, erfolgt die Erstvorstellung in der Regel wenige Tage nach Geburt. Ziel der Behandlung ist eine vollständige ästhetische und funktionelle Rehabilitation, um eine bestmögliche und ungestörte Entwicklung des Kindes zu ermöglichen. Dieses Behandlungsziel lässt sich nur im Rahmen eines interdisziplinären Behandlungskonzeptes verwirklichen, welches den Patienten von der Geburt bis zum Abschluss des Wachstumsalters begleitet.
Wenn Ihr Kind bei uns operiert wird, erfolgt die Unterbringung in der MHH-Kinderklinik. Dabei kann ein Elternteil stationär mit aufgenommen werden. Postoperativ wird Ihr Kind täglich durch uns visitiert und in der Regel wenige Tage nach dem operativen Eingriff nach Hause entlassen.
Die Nachsorgen finden regelmäßig im Rahmen unserer LKG-Sprechstunde statt.
Einmal im Monat findet zusätzlich eine interdisziplinäre Sprechstunde zusammen mit den Kollegen der Pädaudiologie und Phoniatrie sowie der Kieferorthopädie statt. Ihre Kinder werden in der Regel bis zum 18. Lebensjahr betreut. Für diese jährliche Kontrolluntersuchung werden Sie mit Ihrem Kind jeweils im Geburtsmonat des Kindes im Rahmen eines Recall-Systems eingeladen.
Weitere Informationen zu unserem interdisziplinären Behandlungskonzept an der Medizinischen Hochschule Hannover können Sie der Broschüre zu Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten entnehmen.
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen mit:
- Krankenversicherungskarte
- Vorbefunde
- Röntgenbilder (im DICOM-Format auf CD in unverschlüsselter Form mit schriftlichem Befund)
- Aktuelle Medikamentenliste
- Ggf. Patientenausweise (z. B. U-Heft, Mutterpass, Anästhesieausweis, Allergiepass)
SPRECHSTUNDE: DIENSTAGS 14:00 - 16:00 UHR
TERMINVEREINBARUNG: +49 (0) 511 532 64781
Unfallbedingte Veränderungen des Gesichtsschädels können bei den betroffenen Patient:innen zu erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen sowie ästhetischen Einschränkungen führen. Unser Ziel ist es, eine umfassende Wiederherstellung so früh wie möglich zu erreichen. Dabei profitieren wir von unserer hohen Expertise in der interaktiven Nutzung von 3D-Bilddaten in Kombination mit modernen Analyse- und Fertigungstechnologien. Diese ermöglichen uns beispielsweise die Erstellung virtueller Blaupausen des geplanten Operationsergebnisses bereits vor dem Eingriff sowie die Anfertigung patientenspezifischer Implantate. Dank eines One-fit-only-Designs können diese Implantate auch bei komplexen Operationen eindeutig positioniert werden.
Durch diese Vorgehensweise können betroffene Patienten schnellstmöglich in ihren nahezu ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden.
Im Falle von sekundären oder tertiären Korrekturen ist eine sorgfältige klinische Bewertung der vorliegenden Deformität und der damit verbundenen Funktionseinschränkungen besonders wichtig. Hier spielt ein chirurgischer Qualitätssicherungspfad (wie bereits beschrieben) eine entscheidende Rolle, um mit minimalem Risiko ein optimales Operationsergebnis zu erzielen. Dabei kann beispielsweise auch die intraoperative Ortungstechnologie wertvolle Unterstützung leisten.
Selbstverständlich gehören auch Techniken der intraoperativen 3D-Bildgebung – also die Erfassung aktueller Ist-Zustände im tiefen, oftmals nicht einsehbaren Gewebebereich – zu unserem Standardportfolio.
Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Klinikseite für Rekonstruktive Gesichtschirurgie.
Neubildungen im Bereich des Gesichtes und der Mundhöhle sind häufig und betreffen einen ästhetisch, funktionell und emotional sehr sensiblen Bereich. Liegt der Verdacht auf eine Neubildung im Kopfbereich vor oder wurde bereits ein Karzinom diagnostiziert, so gilt es zügig zu handeln, um unnötigen ästhetischen und funktionellen Einschränkungen vorzubeugen.
Eine adäquate und zeitgemäße Tumortherapie sollte nach unserer Auffassung wesentliche Punkte berücksichtigen:
- Biopsie und ggf. erste Bildgebung: Die Biopsie erfolgt meist im Rahmen eines kurzen Eingriffs in
Lokalbetäubung in unserer Poliklinik sowie ggf. Veranlassung einer ersten bildgebenden Diagnostik durch den Hausarzt und den niedergelassenen Radiologen. Evaluation des Zahnstatus und ggf. Einleitung einer konservativen oder chirurgischen Zahnsanierung.
- Panendoskopie und Staging: Die fortgeschrittene Therapieplanung erfolgt im Rahmen eines kurzen
stationären Aufenthalts auf unserer Station 77. Hier erfolgen eine genaue Bestimmung der Tumorausdehnung sowie der Ausschluss eventueller Zweittumore oder Fernmetastasen im Rahmen einer Panendoskopie in Vollnarkose und eines umfangreichen Stagings (z.B. Computertomographie des Kopf/Halses, Sonographie Hals/Bauchorgane, Röntgen des Oberkörpers).
- Interdisziplinäre Tumorkonferenz: Nach Abschluss des Stagings wird jeder Fall individuell in unserer
interdisziplinären Konferenz (MKG, HNO, Strahlentherapie, Radiologie, Onkologie, Pathologie) für Kopf-Hals-Tumore besprochen. Das so erstellte Therapiekonzept wird anschließend mit Ihnen besprochen und bei entsprechender Einwilligung im Verlauf umgesetzt
- Tumortherapie: Neben der Tumorresektion und Entfernung der Lymphknoten legen wir ein
besonderes Augenmerk auf die Rekonstruktion entstehender Defekte. Hier liegt der Fokus auf einer frühen Rehabilitation von Schluck- und Sprachfunktion sowie der Wiederherstellung einer zufriedenstellenden Ästhetik. Sollten eine Chemotherapie und/oder Strahlentherapie indiziert sein, so stellen wir den Kontakt zu den entsprechenden Abteilungen in der MHH her. Eine heimatnahe Behandlung ist ebenfalls möglich, auch hier vermitteln wir und sorgen für eine reibungslose Weiterbehandlung.
- Nachsorge: Nach Ende der Therapie schließt sich eine regelmäßige Nachsorge an. Hier
können neben der Früherkennung von Rezidiven auch weitere rekonstruktive Schritte, wie beispielsweise eine dentale Rehabilitation, geplant und später im Rahmen einer weiteren Behandlung durchgeführt werden
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen mit:
- Krankenversicherungskarte
- Vorbefunde
- Röntgenbilder (im DICOM-Format auf CD in unverschlüsselter Form mit schriftlichem Befund)
- Aktuelle Medikamentenliste
- Ggf. Patientenausweise (z. B. Schrittmacherausweis, Anästhesieausweis, Allergiepass, Marcumarpass)
- Histologische Befunde
SPRECHSTUNDE: MONTAGS + DONNERSTAGS, 14:00 – 16:00 UHR
TERMINVEREINBARUNG: +49 (0) 511 532 64781
Innerhalb des Kopf-Hals-Tumorzentrums findt ebenso die Behandlung von gut- und bösartigen Gesichtshauttumoren statt, die typischerweise in nicht-exponierten Regionen auftreten. Seitens der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sind wir darauf spezialisiert, nicht nur Gesichtshauttumore sicher zu entfernen, sondern auch primar und (in Abhängigkeit von der individuellen Situation) ggf. verzögert so wiederherzustellen, dass ästhetisch und funktionell ein möglichst gutes Ergebnis erzielt wird.
In der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie finden auch ästhetisch-chirurgische Eingriffe statt zu denen die Straffung der Lider (Ober-/Unterlid), Augenbrauenlifting, Facelift, Halshautstraffung. Hierzu beraten wir Sie in unserer Sprechstunde.
Implantate sind künstliche Zahnwurzeln aus Titan oder Keramik, die in den Kiefer eingebracht werden und im Kieferknochen einwachsen.
Die Situationen, in denen Implantate eingesetzt werden können, sind vielfältig und reichen vom zahnlosen Kiefer zur Verbesserung des Prothesenhaltes über die Versorgung größerer Lücken bis zum Ersatz einzelner Zähne, vor allem im ästhetisch anspruchsvollen Schneidezahnbereich. Durch die Versorgung mit Implantaten kann auf das Beschleifen gesunder Nachbarzähne zur Anfertigung eine Brücke verzichtet werden.
Da es nach Zahnverlust zu einer Rückbildung des Knochens kommen kann, ist in einigen Fällen vor einer Implantation eine Anlagerung oder Ergänzung von Knochen nötig. In unserer Klinik stehen Ihnen hierfür alle Möglichkeiten der modernen Zahnheilkunde zur Verfügung. Nach wie vor ist die Knochenanlagerung mit dem eigenen Knochen als der Goldstandard anzusehen, daher verzichten wir bewusst auf die Verwendung von Knochenersatzmaterial (Fremdmaterial).
Bei der Erstberatung wird zunächst eine klinische Untersuchung durchgeführt. Zusätzlich ist eine Röntgenaufnahme erforderlich. Aktuelle Aufnahmen können aber auch von Ihnen mitgebracht werden. Wenn nötig, wird die dreidimensionale Darstellung des Kiefers veranlasst. Hier steht unserer Abteilung ein modernes computergestütztes Untersuchungsgerät, der sogenannte dentale Digitale Volumentomograph zur Verfügung.
Die Implantatbehandlung wird an der Zahnklinik der Medizinischen Hochschule Hannover in Zusammenarbeit der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik und der Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie durchgeführt.
Wir bieten Ihnen eine Versorgung auf höchstem Niveau unter Einbeziehung der Spezialisten aller beteiligten Bereiche an. Damit finden Sie die ärztliche Betreuung, die Sie von einer Klinik der Maximalversorgung erwarten können.
In den Fällen, in denen bereits anderenorts durchgeführte Implantatbehandlungen nicht zum Erfolg geführt haben bzw. die Knochensituation so problematisch ist und die allgemeinmedizinische Situation patientenseits starke Einschränken bedeutet, können an unserer Klinik auch die modernsten Formen patientenspezifischer Gerüstimplantate geplant und eingebracht werden. Diese Spezialimplantatformen stellenb eine Ergänzung zur konventionellen zahnärztlichen Implantatbehandlung dar und bedürfen eines ähnlichen Planungsaufwandes, der dann jedoch in der Zusammenarbeit mit der Biomedizintechnik zu einem nur für Sie passenden Individualimplantat vollendet wird. Im Rahmen eines ambulanten Eingriffes kann dann dieses Implantat primär funktionsstabil, d. h. ohne eingeschränkte Belastung, durch Sie genutzt werden. Näheres erfahren Sie hierzu in unserer Spezialsprechstunde.
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen mit:
- Krankenversicherungskarte
- Vorbefunde
- Röntgenbilder (im DICOM-Format auf CD in unverschlüsselter Form mit schriftlichem Befund)
- Aktuelle Medikamentenliste
- Ggf. Patientenausweise (z. B. Implantatpass, Schrittmacherausweis, Anästhesieausweis, Allergiepass, Marcumarpass)
- Überweisung
SPRECHSTUNDE: DIENSTAGS UND MITTWOCHS, 13:30 – 16:00 UHR
TERMINVEREINBARUNG: +49 (0) 511 532 4742
Die funktionelle Wiederherstellung des Gesichtsschädels und insbesondere des Ober- und Unterkiefers sowie der Kiefergelenke und der umgebenden Weichgewebe spielt eine zunehmend größere Rolle in der modernen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Entsprechende Wiederherstellung können bei verschiedensten Erkrankungen und Verletzungen notwendig werden, z.B.:
- nach ausgedehnten Tumorerkrankungen der Mundhöhle und des Gesichts bzw. Gesichtsschädels
- nach schweren Verletzungen in Folge von Unfällen
- bei angeborenen Fehlbildungen des Gesichtsschädels
An unserer Klinik kommen regelhaft die 3-dimensionale virtuelle Planung individualisierter Implantate zum Ersatz der Kiefer und der Kiefergelenke sowie mikrochirurgische freie Gewebstransplantate von Muskeln, Haut und Knochen zum Einsatz. Beispielhaft sind hier die folgenden zu nennen:
- Unterarm- oder Radialistransplantat
- Oberarmtransplantat
- Latissimustransplantat
- Schulterblatt- oder Scapulatransplantat
- Beckentransplantat
- Wadenbein- oder Fibulatransplantat
Welches Transplantat zum Einsatz kommt und wie dieses gestaltet wird, planen wir individuell für jeden Patienten unter Berücksichtigung der speziellen Anforderungen und Wünsche.
Neben diesen sogenannten autologen mikrovaskulären Transplantaten ist unsere Klinik weltweit führend im Bereich der Erstellung individualisierter Implantate aus verschiedenen Biomatieralien, die eine adäquate Hartgeweberekonstruktion unterstützen helfen. Hierbei wird die Auswahl des Implantatdesigns entsprechend der patientenseits vorgegebenen und zu korrigierenden Ausgangssituation individuell festgelegt.
Erkrankungen des Kiefergelenks werden in den meisten Fällen primär konservativ durch Medikamente, Physiotherapie und zahngetragene Schienen behandelt. Erst wenn unter diesen Therapien kein ausreichender Behandlungserfolg eintritt, sollten die diagnostischen und therapeutischen Mittel der Kieferchirurgie in Erwägung gezogen werden. Diese stehen somit nahezu immer am Ende der diagnostisch-therapeutischen Skala bei Kiefergelenksbeschwerden.
Nach Prüfung verschiedener Kriterien kann beispielsweise bei folgenden Kiefergelenkerkrankungen eine chirurgische Intervention indiziert sein:
- Hypermobilitätsstörung
- Arthrosis deformans
- chronische rheumatische Arthritis
- Ankylose des Kiefergelenkes
- Entwicklungsstörungen wie die kondyläre Hyperplasie
- Tumoren des Kiefergelenkes
- traumatisch bedingte Verletzungen, Frakturen
Weitere Informationen zur chirurgischen Therapie von Kiefergelenkserkrankungen finden Sie hier.
Bitte bringen Sie folgende Unterlagen mit:
- Krankenversicherungskarte
- Vorbefunde
- Alle vorliegenden Röntgenbilder (im DICOM-Format auf CD in unverschlüsselter Form mit schriftlichem Befund)
- Aktuelle Medikamentenliste
- Ggf. Patientenausweise (z. B. Schrittmacherausweis, Anästhesieausweis, Allergiepass, Marcumarpass)
Für den Fall, dass bei Ihnen ein Kiefergelenk-Ersatz erwogen wird, finden Sie hierzu Informationen unter der Überschrift „Rekonstruktion“.
Einleitung
Erkrankungen des Kiefergelenkes werden nicht isoliert betrachtet, sondern werden in ein übergeordnetes System von Krankheitsbildern des Kausystems und des Kopf- und Halsbereiches eingeordnet, die in ihrer Gesamtheit als craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) bezeichnet werden. Diese stehen unter dem Einfluss und beeinflussen wiederum selbst die Elemente des Kauapparates, zu denen neben dem Kiefergelenk und seinem Kapsel- und Bandapparat die Kaumuskulatur, das Parodontium der Zähne, die Okklusion, die zugehörigen Propriozeptoren und zentralnervöse Regionen zählen. Weiterhin spielen die Kopf- und Halsmuskulatur sowie erlittene Verletzungen und psycho-neurologische Faktoren eine Rolle.
Innerhalb dieses komplizierten Netzwerkes von Wechselwirkungen besteht eine große Vielfalt der möglichen Symptome und eine gewisse Schwierigkeit der eindeutigen Zuordnung von gelenkbezogenen Symptomen zu einem definierten Krankheitsbild. Dies liegt unter anderem daran, dass solche Symptome, wie z. B. Geräusche bei Unterkieferbewegungen oder Seitabweichung des Unterkiefers bei der Mundöffnung bei bis zu 70% der gesunden Bevölkerung vorkommen, ohne allerdings einen therapiebedürftigen Krankheitswert zu besitzen. Die beiden häufigsten Beschwerden einer craniomandibulären Dysfunktion, die eingeschränkte Beweglichkeit des Unterkiefers und der diffuse Gesichts- bzw. Kiefergelenksschmerz, können durch viele verschiedene Erkrankungen hervorgerufen werden (siehe dazu z.B. die Klassifizierung der American Academy of Orofacial Pain unter www.aaop.org). Daraus ergibt sich die Forderung nach einer ausgiebigen Diagnostik mit ggf. anschließender, daraus abgeleiteter, konservativer Therapie, welche in erster Linie die Ausschaltung störender Faktoren des Kauapparates, die Harmonisierung des Ablaufes der Kieferbewegungen und damit die Vermeidung bzw. Minderung mechanischer Überbelastung des Gelenkes zum Ziel hat. Erst nachdem diese Therapie ausreichend lange betrieben wurde, sollten die diagnostischen und therapeutischen Mittel der Kieferchirurgie in Erwägung gezogen werden. Diese sollten am Ende der diagnostisch-therapeutischen Skala bei Kiefergelenkesbeschwerden stehen.
Indikationen zu operativen Eingriffen am Kiefergelenk
Die Indikation für eine chirurgische Therapie besteht bei stark ausgeprägten Funktionseinschränkungen und Schmerzzuständen, welche gelenkbedingt (arthrogen) entstanden sind und sich darüber hinaus als therapieresistent gegenüber konservativen Behandlungsmaßnahmen erwiesen haben.
Zur Erhöhung der Erfolgsaussichten einer Operation müssen davon die muskelbedingten (myogenen), also nicht-arthrogenen Erkrankungen identifiziert werden, da diese nicht chirurgisch sondern konservativ zu behandeln sind. Dies unterstreicht nochmals die Bedeutung einer exakten differenzialdiagnostischen Untersuchung zu Beginn jeder Behandlung. Diese Abgrenzung ist mitunter schwierig durchzuführen, da auch nicht-arthrogene Gelenkserkrankungen sekundär zu Veränderungen des Gelenkes führen können. Wenn auch in solchen Fällen eine Operation bestenfalls günstige mechanische Voraussetzung für eine störungsfreie Funktion des Kiefergelenkes schaffen würde, so würde sie nicht die primäre Ursache für die krankhaften Veränderungen beseitigen und somit letztlich nicht zum langfristigen Therapieerfolg führen.
Obligate Indikationskriterien, die eine strenge Selektion von Patienten, die von einem operativen Eingriffes profitieren würden, gewährleisten sollen, sind:
- Vorhandensein von Schmerzen und/oder Funktionsbehinderungen in einem beeinträchtigenden Maße – schmerzlose Gelenksgeräusche oder Reiben im Kiefergelenk alleine stellen keine Operationsindikation dar.
- Nachweis eines morphologischen Korrelates zu den klinischen Beschwerden durch bildgebende oder invasive Untersuchungen.
- Wahrscheinlicher Kausalzusammenhang zwischen dem morphologischen Korrelat und den klinischen Beschwerden und die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Symptomatik nach einer Kiefergelenksoperation.
- Therapieresistenz der Beschwerden gegenüber einer konservativen (nicht chirurgischen) Therapie, welche ausreichend lange - in der Regel mindestens sechs Monate - angewandt wurde.
- Abwesenheit von Kontraindikationen für einen operativen Eingriff wie z. B. psychische Erkrankungen oder muskuläre Hyperaktivität der Kau- und Gesichtsmuskulatur.
- Sicherstellung der weiterführenden postoperativen Therapie in Form von Krankengymnastik bzw. prothetischer Schienentherapie.
- Gute Kooperation (compliance) des Patienten. Patienten, die von vornherein einer operativen Maßnahme ablehnend gegenüberstehen oder an der postoperativen Therapie nicht teilhaben wollen, sollten einer Operation nicht unterzogen werden.
Nach Prüfung der zuvor genannten Gesichtspunkte und Kriterien kann beispielsweise bei folgenden Erkrankungen eine chirurgische Intervention indiziert sein:
- Hypermobilitätsstörung
- Arthrosis deformans
- chronische rheumatische Arthritis
- Ankylose des Kiefergelenkes
- Entwicklungsstörungen wie die kondyläre Hyperplasie
- Tumoren des Kiefergelenkes
- traumatisch bedingte Verletzungen, Frakturen
Operative Therapie des Kiefergelenks
Ziel der funktionellen Kiefergelenkschirurgie ist es, günstige Voraussetzungen zu schaffen, um die körpereigene Anpassung des Gelenkes zu begünstigen, mit dem Ziel einer beschwerdefreien Funktionstüchtigkeit. Das frühere mechanistische Konzept wurde so durch ein funktionelles Konzept abgelöst.
Heute stehen uns sowohl minimal invasive Verfahren wie die Arthrozenthese und die Arthroskopie als auch offene chirurgische Maßnahmen, die so genannte Arthrotomie, zur Verfügung.
Bei der Arthrozenthese wird die oberen Gelenksspalte punktiert und anschließend unter Mundöffnungsbewegungen gespült. Dabei wird ein therapeutischer Effekt durch das Ausspülen von Gewebetrümmern und Entzündungsmediatoren erwartet. Bei der Arthroskopie sind zusätzlich eine direkte Inspektion und bestimmte therapeutische Maßnahmen wie das Lösen von Adhäsionen oder die Glättung von Knorpeloberflächen durch Einsatz eines Trochars und entsprechender endoskopischer Instrumente möglich.
Die offenen Verfahren stellen vielfach einen Ultima-Ratio-Eingriff dar und kommen erst zum Einsatz, wenn konservative und minimal invasive Maßnahmen keinen Behandlungserfolg erbracht haben. Es kann zwischen einem vor dem Ohr (präaurikulär), hinter dem Ohr (retroaurikulär) und unterhalb des Kieferwinkels (submandibulär) gelegenen Zugangsweg gewählt werden. Grundsätzlich besteht ein, wenn auch geringes, Risiko der Schädigung des Gesichtsnervs (N. facialis) bzw. seiner Äste mit daraus folgender Lähmung der mimischen Muskulatur. Beim retroaurikulären Zugangsweg steht der ästhetisch günstigen Lage der Narbe das Risiko einer Sensibilitätsstörung der Ohrmuschel gegenüber.
Kieferorthopädische Chirurgie
Liegt eine Dysgnathie (Missverhältnis zwischen dem Ober- und Unterkiefer) gleichzeitig mit Kiefergelenksfunktionsstörungen vor und wird die Dysgnathie als Ursache der Beschwerden festgestellt, so kann durch die Wiederherstellung orthognather Verhältnisse durch eine skelettverlagernde Operation eine Normalisierung der Beziehung des Gelenkskopfes zur Gelenkespfanne und der Gelenksscheibe hergestellt werden. Genauere Daten über die Dauer der postoperativen Umbau- und Anpassungsvorgänge des Kiefergelenkes liegen zurzeit nicht vor. Obwohl nach Literaturangaben bei 25 bis 66 % der Patienten eine Verbesserung der Beschwerden zu beobachten ist, kann eine Garantie für den Therapieerfolg nach heutigem Kenntnissstand nicht übernommen werden. Besonders kritisch ist dies bei Patienten mit einer Angle - Klasse II zu sehen. Als eine unerwünschte Operationsfolge ist in diesem Zusammenhang die postoperative kondyläre Resorption zu nennen. Bei Patienten, bei denen nach Umstellung der Kiefer eine Beschwerdeminderung ausgeblieben ist, kann die Indikation zur weiteren minimal invasiven oder offenen kiefergelenkschirurgischen Maßnahmen unter Berücksichtigung der oben genannten strengen Kriterien in Erwägung gezogen werden.
Die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bietet verschiedene Methoden zur Erkennung, Einteilung und Behandlung von therapieresistenten Kiefergelenksbeschwerden an. Diese kurze Übersicht verzichtet bewusst auf die detaillierte Schilderung der Operationstechniken, welche im Einzelnen für jeden Fall individuell ausgewählt und mit dem Patienten besprochen werden müssen. Dabei ist es wichtig, dass die zur Verfügung stehenden Mittel vom Patienten, dem überweisenden Arzt oder Zahnarzt und insbesondere vom Chirurgen selbst im Hinblick auf einen Therapieerfolg realistisch eingeschätzt werden.