Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD)

Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin

Anatomie

Es liegt eine Kombination mehrere Defekte vor, welche in unterschiedlicher Ausprägung und auch nur anteilsweise vorhanden sein können:
 

  • Ventrikelseptumdefekt (VSD): Lücke im Einlassanteil der Kammerscheidewand
  • Atriumseptumdefekt (ASD): Lücke im unteren Anteil der Vorhofscheidewand (Septum primum)
  • Komplexe Anomalie der atriventrikulären Herzklappen (AV-Klappen) zwischen Vorhöfen und Kammern: Der Klappenring und die bindegewebigen Segel sind fehlgebildet, es können verschiedene Ausprägungen und Schweregrade vorliegen. In der Regel ist ein gemeinsamer Klappenring angelegt mit unterschiedlicher Ausbildung der Klappensegel (meist 5 Segel). Die Aufhängung der Klappenanteile durch deren Haltefäden ist oft fehlgebildet.

   

Physiologie und Hämodynamik

Durch die Septumdefekte auf Vorhof- und auf Kammerebene kommt es zu einer Durchmischung von Blut des Körper- und des Lungenkreislaufs, meist zu einem gerichteten Fluss von der linken zur rechten Herzseite (sog. Links-Rechts-Shunt). Damit entsteht eine Volumenbelastung des linken Herzens und der Lunge. Bei großen Defekten im Ventrikelseptum kommt es zur Druckangleichung der rechten und linken Herzkammer. Dadurch kann es zur Entwicklung eines Lungenhochdruckes kommen. Dabei liegen erhöhte Druck in den Blutgefäßen der Lunge vor, welche unbehandelt zu schweren Gefäß- und Gewebeschädigungen der Lunge führen können.

Beim sogenannten partiellen AVSD liegt der Septumdefekt nur auf Ebene der Vorhöfe vor (siehe ASD I).

Sind die rechte und die linke Herzhälfe aufgrund der Strömungsverhältnisse des Blutes deutlich unterschiedlich groß, spricht man von einem imbalancierten AVSD.


Therapie eines Atrioventrikulären Septumdefekts

   
Konservative Stabilisierung

Bei der Therapie des AVSD ist die operative Totalkorrektur in den ersten Lebensmonaten das Mittel der Wahl. Ziel ist es, für das Herz normale anatomische Verhältnisse zu schaffen. Allerdings steht bei besonders schwerer Ausprägung des AVSDs (sog. Imbalancierte Form) oder anderen Begleitumständen (Frühgeburtlichkeit, weitere Herzanomalien, andere Organfehlbildungen) diese OP Möglichkeit unter Umständen nicht zur Verfügung.

Bei dem AVSD kommt es häufig zu einer Imbalance der Blutverteilung zu Ungunsten der Lunge (Lungenüberflutung). Dadurch können sich einerseits ein Lungenhochdruck und zum anderen eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) entwickeln. Diese machen sich bei den Kindern u.a. durch verminderte körperliche Belastbarkeit, beschleunigte Atmung, übermäßiges Schwitzen und Gedeihstörung bemerkbar. Deshalb ist in aller Regel eine medikamentöse Therapie notwendig. Die Medikamenteneinnahme muss häufig noch einige Monate nach der Operation fortgeführt werden.
   

Chirurgische Therapie

Die angestrebte primäre operative Totalkorrektur erfolgt in der Regel zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat und muss unter Zuhilfenahme der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden. Dabei werden die Scheidewanddefekte im Vorhof und in der Kammer mit einem oder mehreren Gewebeflicken (Patch) verschlossen. Durch Einnähen des Patches wird bereits eine Teilung der beiden AV-Klappen erzielt. Ergänzend werden dann die einzelnen Klappenanteile mittels Nahttechnik gerafft und Undichtigkeiten verschlossen.

Ist die angestrebte Totalkorrektur aufgrund von Begleitumständen (zum Beispiel imbalancierter AVSD, Frühgeburtlichkeit, andere Herz- oder Organfehlbildungen) nicht möglich, müssen unter Umständen sogenannte palliative Operationen erfolgen. Dazu gehört unter anderem das Pulmonalarterielle Banding (PAB): Dabei wird gürtelförmig eine Schlinge um die Lungenarterie gelegt - mit dem Ziel einer Drosselung des Blutflusses in die Lunge. Damit soll der Lungenüberflutung und im Weiteren der Entwicklung eines Lungenhochdrucks Einhalt geboten werden. Dieses OP Verfahren wird vor allem als zeitliche Überbrückung für eine später geplante Totalkorrekturoperation angewandt.

Liegt eine sehr imbalancierte Variante des AVSDs mit unterschiedlich großen Ventrikeln vor, so kann es sein, dass eine vollständige Korrektur des Herzfehlers operativ nicht möglich ist. Dann muss auf alternative, pallierende (also lindernde, nicht heilende) Operationsverfahren zurückgegriffen werden. Zum Beispiel kann eine univentrikuläre Palliation mittels Fontan–Zirkulation erfolgen (Ein-Kammer-Herz mit passiver Lungendurchblutung).

   

Prognose eines Atrioventrikulären Septumdefekts

   
Weiterer Verlauf

Die operative Korrektur des AVSD gehört heutzutage zu den Standard OP-Verfahren, allerdings ist sie aufgrund der Komplexität des Herzfehlers oft anspruchsvoll. Der postoperative Verlauf hängt vor allem von der Rekonstruktion der AV-Klappen und deren Funktionalität (Dichtigkeit, Öffnungsfläche) ab.

Des Weiteren besteht nach AVSD Korrektur aufgrund der anatomischen Verhältnisse postoperativ ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen. Diese sind oft nur in den ersten Tagen nach der Operation von Bedeutung und bedürfen keiner längerfristigen Therapie. Schwerwiegendere Restdefekte nach OP können im weiteren Verlauf symptomatisch werden. Für einen Teil der Patienten (15 – 20%) sind daher im Laufe des Lebens weitere Operationen notwendig.

Die Lebenserwartung ist nach erfolgreicher Korrektur vergleichbar mit der Normalbevölkerung, auch die Alltagsgestaltung sollte uneingeschränkt möglich sein, gegebenenfalls ist eine Einschränkung in der sportlichen Belastbarkeit gegeben.

In der Folge von palliativen Operationen sind meist mehrere Eingriffe notwendig. Eine normale Lebenserwartung und eine volle sportliche Belastbarkeit lassen sich häufig nicht erreichen.