PNS/ZNS-Kommunikation – von peripherer Nervenregeneration zum Verständnis neuropathischer Schmerzen
Seit vielen Jahren stellt die Reparatur und Regeneration peripherer Nerven einen zentralen Forschungsschwerpunkt unseres Instituts dar. Läsionen peripherer Nerven führen – in unterschiedlicher Ausprägung – zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität, viele Betroffene leiden unter dauerhaften Einschränkungen. Obwohl sich Operationstechniken und therapeutische Optionen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, entspricht das funktionelle Ergebnis einer peripheren Nervenrekonstruktion nicht immer den Erwartungen der Patient*innen. Im Rahmen langjähriger Forschung zur Nervenregeneration in Tiermodellen und In-vitro-Systemen konnten wir zur klinischen Zulassung von Chitosan-basierten Nervenschienen beitragen und arbeiten an deren Weiterentwicklung mit dem Ziel, körpereigene Nerventransplantate zu ersetzen. In unseren Arbeiten verbinden wir materialwissenschaftliche Ansätze mit Methoden des Tissue Engineerings. Letzteres beruhte ursprünglich auf der genetischen Modifikation peripherer Gliazellen (Schwann-Zellen) und umfasst heute auch Schwann-Zellen, die aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) gewonnen werden. Solche Zellen können dazu dienen, bislang zellfreie oder hohle Nervenschienen aufzuwerten und so Nervenregeneration auch über größere Defektstrecken zu unterstützen.
Da das gesunde wie auch das verletzte periphere Nervensystem in enger Wechselwirkung mit dem zentralen Nervensystem steht, bildet die synaptische Plastizität auf Rückenmarksebene ein sich dynamisch entwickelndes Forschungsfeld. Selbst wenn motorische Funktion und Tastempfinden nach erfolgreicher peripherer Nervenrekonstruktion weitgehend wiederhergestellt sind, können Patient*innen im Verlauf neuropathische Schmerzen entwickeln. Darüber hinaus müssen bei Replantationsverfahren ganzer Extremitäten nach Amputationen nicht nur die Bedingungen der peripheren Nerven in der Extremität selbst, sondern auch die Wiederherstellung der Kommunikation zwischen Extremität und zentralem Nervensystem so gestaltet werden, dass motorische Einschränkungen minimiert und das Risiko neuropathischer Schmerzen reduziert wird.
In diesem Forschungsschwerpunkt befassen wir uns mit Fragen zur Entwicklung und Regeneration peripherer Nerven unter unterschiedlichen systemischen Bedingungen und erweitern unseren bisherigen Fokus hin zu einem besseren Verständnis der Darm-PNS-Achse sowie der neuroanatomischen Grundlagen lokaler Schmerzempfindung und der Entstehung neuropathischer Schmerzen.
Im Einzelnen bearbeiten wir folgende Themen:
- Darm–peripherer-Nerv-Achse:
Wir untersuchen die „Gut–PNS-Achse“ in keimfreien und gnotobiotischen Mäusen unter gesunden Bedingungen und nach peripherer Nervenläsion. Das Darmmikrobiom und seine Metabolite werden zunehmend als wichtige Einflussfaktoren für gesunde oder krankhafte Zustände auch im Nervensystem über die „Gut–Brain-Achse“ verstanden. Wir führen funktionelle, histologische und molekulare Untersuchungen an Strukturen des peripheren und zentralen Nervensystems durch. In diesem Projekt arbeiten wir eng mit der Gnotobiotic-Gruppe am MHH-Institut für Versuchstierkunde (Dr. Marijana Basic, Dr. Silvia Bolsega) sowie Kolleg*innen aus Italien (Prof. Giulia Ronchi, Universität Turin; Prof. Matilde Cescon, Universität Padua) zusammen. - Konditionierung amputierter Gliedmaßen für Replantationsverfahren:
Die Bedingungen peripherer Nerven in amputierten Gliedmaßen adulter Schweine werden mit funktionellen, histologischen und molekularen Methoden untersucht. Ziel des Projekts ist es, periphere Nerven unter ex-vivo-Perfusionsbedingungen so zu konditionieren, dass eine spätere erfolgreiche Replantation der Extremität ermöglicht wird. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit PD Dr. Bettina Wiegmann von der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der MHH und werden durch einen Vertrag mit der Bundeswehr (2022–2026) gefördert. - Patientenspezifische Schwann-Zell-Therapien:
Wir haben kürzlich ein Protokoll zur Generierung humaner Schwann-Zellen aus humanen iPSCs etabliert und planen, diese Zellen hinsichtlich ihrer funktionellen Eigenschaften in vitro und in vivo weiter zu charakterisieren – mit dem Ziel einer patient*innenspezifischen Anwendung in der peripheren Nervenreparatur.