Postexpositionsprophylaxe

HIV Postexpositionsprophylaxe Empfehlungen zur POSTEXPOSITIONELLEN PROPHYLAXE (PEP) einer HIV-Infektion an der Medizinischen Hochschule Hannover

Aktualisierte Fassung vom 31.10.2022

Klinik für Rheumatologie und Immunologie

Redaktion: Prof. Dr. Georg Behrens

* Die Empfehlungen geben den aktuellen Wissenstand wieder. Die angegebenen Dosierungsempfehlungen/Nebenwirkungen bilden nur grobe Richtwerte. Sie entbinden nicht von einer sorgfältigen Indikationsstellung anhand der Empfehlungen der Hersteller und der Daten der aktuellen Literatur. Haftungsansprüche aus möglicherweise unvollständigen oder falschen Angaben in den hier vorliegenden Empfehlungen werden ausdrücklich ausgeschlossen.

Seit 1998 sind inzwischen mehrfach redigierte nationale und internationale Empfehlungen zum Umgang bei Exposition gegenüber dem HI-Virus publiziert worden. Der derzeit aktuelle sehr detaillierte Konsensus zu diesem Thema ist inzwischen über die Homepage der DAIG ins Netz gestellt. Wir verzichten daher auf eine eigene Darstellung der Problematik weitgehend und verweisen auf folgenden Link (Leitlinien und Empfehlungen zur HIV-Infektion und Postexpositionsprophylaxe): 

https://daignet.de/site-content/hiv-leitlinien/leitlinien-1/deutsch-oesterreichische-leitlinien-zur-postexpositionellen-prophylaxe-der-hiv-infektion-1

 

Zu den empfohlenen antiretroviralen Optionen gehören:

Folgende Kombinationen werden empfohlen:

  • Tenofovir-DF/Emtricitabin 1x1 + Raltegravir 2x400 mg oder 1x2 zu je 600 mg
  • Tenofovir-DF/Emtricitabin 1x1 + Dolutegravir 50 mg 1x1
  • Tenfoviralafenamid/Emtricitabin/Bictarvy* 1x1

Wenn diese nicht verfügbar sind:

  • Tenofovir-DF/Emtricitabin + Darunavir/Ritonavir 800 /100 mg
  • Tenfoviralafenamid/Emtricitabin/Elvitegravir/c* [89]

 

Aus unserer täglichen Erfahrung in der Beratung möchten wir einige häufige Fragen aus der Praxis (FAQs) an dieser Stelle auflisten:

 

1. Frage: Was sind die Gefahrensituationen? Wann muss über eine PEP nachgedacht werden?

Antwort: Über eine PEP sollte vor allem in folgenden Situationen nachgedacht werden: Verletzung mit HIV- kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken, Benetzung offener Wunden und Schleimhäute mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten, ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einer HIV-infizierten Person, Gebrauch von HIV- kontaminiertem Injektionsbesteck und Transfusion von HIV-kontaminiertem Blut oder Blutprodukten.

2. Frage: Wie gefährlich ist die Exposition mit HIV?

Antwort: Die meisten der oben (unter 1.) genannten Ereignisse haben ein Risiko ungefähr im Bereich von 1:100 bis 1:1.000. Das durchschnittliche Risiko einer Nadelstichverletzung ist am besten untersucht und liegt im Bereich von etwa drei Promille. Im Falle einer großen, sichtbar mit Blut kontaminierten Hohlnadel ist es höher, im Falle einer Nadel ohne Hohlschliff (z.B. für chirurgische Nähte) ist es niedriger.

3. Frage: Ist bei jeder Exposition mit HIV eine PEP durchzuführen?

Antwort: Nein. Die Empfehlung ergibt sich aus der Abschätzung des individuellen Risikos aus dem jeweiligen Ereignis. Als Faustregel kann ungefähr gelten, dass ein Risiko von deutlich unter 1: 1.000 eine PEP nicht mehr rechtfertigt.

4. Frage: Wie ist das Risiko, wenn der HIV-Status nicht bekannt ist?

Antwort: In Deutschland ist derzeit statistisch etwa einer von 1.000 Bundesbürgern HIV-positiv, in Niedersachsen jeder 2.000. Bei einer Nadelstichverletzung mit einer frisch blutig kontaminierten Nadel einer Person mit unbekanntem HIV Status ergibt sich für das individuelle Risiko („IR“) somit folgende Rechnung: („A“=Wahrscheinlichkeit, dass die Person HIV-positiv ist: ca. 1:1000), („B“=Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch das Ereignis: [bei Stichverletzung mit Blutkontaminierter Nadel] ca. 1:300). Das Risiko „IR“ beträgt somit: IR = A x B = 1 : 1.000 x 1 : 300 = 1 : 300.000. Weil dieses Risiko sehr deutlich unter 1:1.000 liegt, sollte eine PEP dann auch nicht empfohlen werden.

5. Frage: Warum empfiehlt man nicht „vorsichtshalber“ auch bei sehr geringen Risiken eine PEP. Ist das vielleicht so etwas wie falsch verstandene Sparsamkeit?

Antwort: Alle bisher verfügbaren Kombinationen für eine PEP können zu Nebenwirkungen führen. Diese können unangenehm, aber dabei harmlos sein. Die Konsensusempfehlungen haben das Für und Wider zur Empfehlung einer PEP gegeneinander abgewogen. Wenn es nicht aus dem Einzelfall ableitbare Begründungen gibt, das individuelle Risiko höher einzuschätzen, sollte daher nicht von den dort gegebenen Empfehlungen abgewichen werden, weil die Risiken der Maßnahme PEP ansonsten potenziell höher sind als deren Unterlassen.

6. Frage: Im Beipackzettel der zur PEP empfohlenen Medikamente, steht dass diese nur zur Behandlung einer bestehenden HIV-Infektion zugelassen sind. Von Prophylaxe steht nichts in den Produktinformationen. Darf ich dann als Arzt überhaupt eine PEP verschreiben oder beginnen?

Antwort: Ja. Die PEP-Empfehlungen haben den Charakter einer Leitlinie. Sie sind von den Fachgesellschaften und zudem von einer Bundesbehörde (Robert Koch Institut) mit verantwortet und herausgegeben und von der AWMF zertifiziert.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat 2018 die Verordnung der HIV-PEP als erstattungsfähig anerkannt, wenn diese wohl begründet vom Spezialisten indiziert wurde. Der GBA spricht bei der PEP von postexpositioneller Früh-"Therapie" und nicht von "Prophylaxe" – und damit ist die Indikationsstellung nicht mehr „off“-Label.

Bei beruflicher Exposition gehen die Kosten zu Lasten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. In anderen Fällen ist gemäß GBA-Beschluss die Kostenübernahme der PEP als „Postexpositionelle Frühtherapie nach HIV-Exposition“ bei sachgerechter Indikationsstellung eine Kassenleistung der Krankenversicherung (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/93540/Aerzte-begruessen-G-BA-Entscheidung-zur-HIV-Postexpositionsprophylaxe)

7. Frage: Die sogenannte „Indexperson“ - also die, von der das vermutete Übertragungsrisiko ausgeht - verweigert einen HIV-Antikörpertest, der ja bekanntlich einer besonderen Einwilligungspflicht unterliegt. Was kann man da machen?

Antwort: Bloße Vermutungen sind stets hoch spekulativ und sollten als Grundlage für eine PEP-Einleitung nicht herangezogen werden.

Für die Indikationsstellung der PEP ist eine HIV-Testung nicht erforderlich. Die Indikation richtet sich vorwiegend daran aus, ob

  • eine HIV-Infektion definitiv bekannt ist und ggf. zusätzlich
  • eine bestehende HIV-Infektion wirksam mit antiretroviraler Therapie behandelt wird.

 

Lokale Ansprechpartner zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe einer HIV-Exposition

In der MHH stehen folgende Ansprechpartner zur Verfügung:

  • Klinik für Rheumatologie und Immunologie: Prof. Dr. med. Georg Behrens, Dr. Gerrit Ahrenstorf, Immunologische Ambulanz II (Gebäude K14) der MHH: Tel.: 0511 532-3637, alternativ Diensthandy
  • Abteilung Pädiatrische Pneumologie: PD Dr. U. Baumann, Tel. 0511 532-3251
  • Abteilung Gynäkologie (bei speziellen Fragestellungen im Bereich Geburtshilfe, Gynäkologie): Prof. Dr. C. von Kaysenberg, Tel.: 0511 532-6096; 0511 532-6862, 0511 532-6144

Auswahl von Niedergelassenen HIV-Schwerpunkt-Ärzt*innen im Raum Hannover:

  • Dr. H. Heiken, Dr. S. Holm, Dr. B. Kuhlmann, Dr. J. Miehe, Praxis Georgstraße
  • Dr. C. Zamani, Hannover