Immunität bei Infektionen, Impfung, Inflammation und Immundefizienz (I5)
Prof. Dr. med. Georg Behrens, Prof. Dr. med. Alexandra Dopfer-Jablonka
Prof. Dr. Georg Behrens ist Internist, Immunologe und Infektiologe und Prof‘in. Dr. Alexandra Dopfer-Jablonka ist Rheumatologin und Labormedizinerin. Gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern untersuchen wir in Patientenkohorten die Störungen im Immunsystem, um das Verständnis der Erkrankungen, der Therapien und der Wirkung von Impfungen zu verbessern. Andere Projekte beschäftigen sich damit, mittels innovativer Anwendungen die medizinische Versorgung unserer Patienten zu verbessern.
Wir arbeiten mit zahlreichen Kooperationspartnern in der MHH und an anderen Forschungseinrichtungen (z.B. Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfenbüttel, Universitätsmedizin Göttingen, Deutsches Primatenzentrum - Leibniz-Institut für Primatenforschung, Göttingen, Harvard Medical School, NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen) zusammen.
Womit beschäftigen wir uns?
Wir interessieren uns ganz besonders für die fünf großen „I“: Immunität, Infektion, Impfung, Immundefizienz und Inflammation
Wir beschäftigen uns mit der Pathophysiologie der HIV-Infektion, ihrer Therapie und Heilungsstrategien. Wir untersuchen die Immunreaktionen nach Infektion mit z.B. HIV oder SARS-CoV-2 und die vielfältigen Immunantworten nach z.B. COVID-19 und Influenza Impfung. Dabei interessiert uns auch, wie welche individuellen Faktoren die Immunantwort beeinflussen und wie wir dieses Wissen nutzbar machen können. Uns interessieren die Ursachen und Konsequenzen von dauerhafter Entzündung bei Rheumapatienten und das Ansprechen auf moderne antientzündliche Therapien. Wir wollen versuchen, Patientengruppen mit unterschiedlicher Krankheitsausprägung besser zu charakterisieren und so die Therapie weiter zu verbessern.
Pathogenese und Therapie der HIV Infektion
Prof. G. Behrens hat 30 Jahre Erfahrung in der Therapie der HIV Infektion, ist in nationalen und internationalen Forschungsverbünden etabliert und Koordinator oder Koautor internationaler Therapieleitlinien. Er leitete die europäische LAPTOP-Studie, die erstmals prospektive Evidenz für den Einsatz von Integrasehemmern bei spät diagnostizierten HIV-Patientinnen und –Patienten lieferte.
Ausgehend von klinischen Beobachtungen untersuchten wir Mechanismen des antiretroviralen Therapie-assoziierten Immunrekonstitutionssyndroms bei Menschen mit HIV (Lancet 1998,) sowie metabolischer Nebenwirkungen wie Lipodystrophie, Insulinresistenz und Dyslipidämie (AIDS 1998) und deren genetische und zelluläre Grundlagen (Lancet 1999, AIDS 2000, Hepatology 2006, J Hepatol 2009). Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) konnte ich erstmals eine gestörte Muskelglukoseaufnahme und -phosphorylierung bei HIV-Patient:innen nachweisen (J Clin Invest 2002), was nachfolgende Studien in anderen Geweben anregte. Wir zeigten, dass antiretrovirale Medikamente die Autophagie hemmen und so zu metabolischen Störungen beitragen (Antimicrob Agents Chemother 2013, 2018). Diese Arbeiten führten zu weiterführenden Erkenntnissen in der Leukämieforschung (Leukemia 2014, Front Oncol 2023) und bei Herpes-simplex-Infektionen (Eur J Immunol 2017). Unsere Arbeiten zur Stoffwechselregulation und Immunfunktion etablierten neue Ansätze für Prävention und therapeutische Strategien (AIDS 2001, J Acquir Immune Defic Syndr 2005, AIDS Patient Care STDS 2014, Lancet HIV 2025).
Kohortenstudien zur Immunologie der Impfung bei gesunden und vulnerablen Personen
Mit dem Auftreten von SARS-CoV-2 gehörten wir zu den ersten Gruppen, die groß angelegte prospektive Human-Kohortenstudien initiierten, um Kinetik und Qualität der humoralen und zellulären Immunität nach Infektion sowie nach mRNA- oder Vektor-basierten Impfungen zu untersuchen (Nat Med 2020, Clin Infect Dis 2021, Lancet 2021, Immunity 2021, Nat Commun 2022).
COVID-19 Contact (CoCo) Studie: https://www.cocostudie.de/Loginsitzung/Login?URL=/
Nachfolgende Studien befassten sich mit hybrider Immunität und variantenspezifischen Booster-Impfungen (z. B. XBB.1.5, JN.1, KP.8.1) und lieferten die ersten entsprechenden Humanergebnisse (Lancet Infect Dis 2023, 2024, 2025). Die Kohorten ermöglichten zudem systemische Analysen zur Identifizierung von Korrelaten der Impfantwort (EBiomedicine 2024) sowie frühe Erkenntnisse bei Personen mit HIV (HIV Medicine 2021) und terminaler Niereninsuffizienz (EBiomedicine 2021, Emerg Infect Dis 2022, Lancet Infect Dis 2024). Diese Daten informierten risikoadaptierte Impfstrategien und verdeutlichten die Notwendigkeit einer gezielten Immunüberwachung vulnerabler Gruppen.
Kohortenstudien zur Biologie von SARS-CoV-2-Varianten: Virusaufnahme und Immunflucht
In Zusammenarbeit mit führenden Virolog:innen des Deutschen Primatenzentrums charakterisierten wir Eintrittsmechanismen und Neutralisationsflucht neuer SARS-CoV-2-Linien (z.B. BA.2.86, JN.1, LP.8.1, KP.8.1) mithilfe von Pseudovirusmodellen (Cell 2022, Cell 2024, Nat Commun 2025; Lancet Infect Dis 2022–2024; PLoS Pathog 2024; Cell Host Microbe 2022; Lancet Microbe 2025). Gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung kartierten wir Fluchtepitopstrukturen mittels reverser Mutationsanalyse (Nat Commun 2025). Durch die enge Verzahnung von Grundlagen- und klinischer Forschung konnten wir ACE2-unabhängige Eintrittswege und Fluchtmutationen identifizieren, die unmittelbar in die Entwicklung therapeutischer Antikörper und gesundheitspolitische Entscheidungen einflossen.
Medizinische Versorgungsstrukturen, Flüchtlingsmedizin und Long-COVID
Wir führen verschiedene bevölkerungsbasierte Studien zu Long COVID (Immunol Res 2024, Brain Behav Immun Health 2025) durch. Ein zentrales Projekt ist z.B. DEFEAT CORONA: Digitales Long Covid Projekt über die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie: DEFEnse Against COVID-19 Study - Looking forward, https://www.defeat-corona.de/ Wir konnten erfolgreich eine der ersten Interventionsstudien für Long-COVID durchführen (Schröder PLoS ONE 2025)
Darüber hinaus haben wir umfangreiche Untersuchungen über Flüchtlingsgesundheit mit einem besonderen Schwerpunkt auf Infektionserkankungen gemacht (J Infect Public Health 2024; Infect Dis Ther 2017; Int J Environ Res Public Health 2016–2018, HIV Medicine 2024). Im Bereich der HIV Medizin haben wir Beiträge zum indikatorbasierten Screening auf HIV und Virushepatitiden geleistet (Eurosurveillance 2022, EClinicalMedicine 2024, Infection 2025).
Interventionsstudien und Kohortenforschung in nationalen und internationalen Netzwerken
Wir beteiligen uns aktiv an zahlreichen interventionellen klinischen Studien (Clin Infect Dis 2022–2023, Clin Gastroenterol Hepatol 2022, HIV Medicine 2023) und am Aufbau großer Kohorten mit umfassenden Biomaterialsammlungen. Diese Kohorten unterstützen unsere Forschung (Biomedicine 2022) und sind Teil nationaler Netzwerke wie der HIV ClinSurv- und Serokonverter-Kohorten am Robert Koch-Institut (Infection 2025) und den Kohorten des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung sowie internationaler Kooperationen. Ein DFG-gefördertes Projekt ermöglichte den Aufbau einer großen Kohorte von über 3.000 Patient:innen mit rheumatischen Erkrankungen, Autoimmunhepatitis und kutanen Autoimmunerkrankungen. Aktuell wird mit INFLAME eine prospektive Kohorte in Kooperation mit niedergelassenen Rheumatolog:innen etabliert. Wir betrachten patientenzentrierte Forschung als essenziell, um Krankheitsmechanismen und Therapieergebnisse zu verstehen und experimentelle in-vitro- und in-vivo-Ansätze sinnvoll zu ergänzen.
Hier drei Beispiele weiterer spannender Projekt:
Blut mobil / Blood-it-yourself-Studie
Chronisch kranke Menschen werden häufig von FachärtzInnen betreut und benötigen regelmäßige ärztliche Vorstellungen. In ländlichen Gebieten ist die Anreise & Organisation der Termine oft herausfordernd. Wir erproben deshalb ein innovatives häusliches Blutentnahmekonzept mittels zugelassener CE-zertifizierte kapillarer Blutentnahmesysteme mit anschließendem Laborversand. Die Probeanalytik umfasst typische Parameter der hausärztlichen bzw. rheumatologischen Grundversorgung.
Das Projekt wird durch eine Kooperation aus dem Forschungspraxennetzwerk der Klinik für Rheumatologie und Immunologie der MHH und des Instituts für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) als Kooperationspartner durchgeführt. Dieses Projekt wird vom Europäischen Sozialfonds unterstützt.
NIGHT-FAST
Das Projekt NIGHT-FAST (Niedersächsisches Integrated Ground-to-Hub Transfer Initiative for Fast Autonomous Sample Transport) entwickelt eine hochautomatisierte und KI-gestützte Drohnenlösung für den medizinischen Notfalltransport in ländlichen Regionen. NIGHT-FAST soll eine effiziente, schnelle und zuverlässige Möglichkeit bieten, Proben, Blutprodukte, Medikamente und Notfallausrüstung zwischen Notfallorten, Praxen, Laboren und Kliniken zu transportieren. Durch den Einsatz autonomer Fixed-Wing-Drohnen und den Einsatz modernster KI-Lösungen etabliert das Projekt eine skalierbare, kosteneffiziente und resiliente Lösung für medizinischen Transport in Notfallsituationen, die auf eine Vielzahl von Anwendungen übertragbar ist. Für NIGHT-FAST arbeiten wir mit der Universität Braunschweig, der Universitätsmedizin Göttingen, der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Auftrag Mensch GmbH, Aurtik UG, und UAS Atelier GmbH. Das Projekt wird von European Fund for Regional Developement (ERDF) gefördert.
DOGOLOMICS
Die Ursachen des Post-COVID-Syndroms sind unbekannt und könnten Prozesse wie Immunfehlregulation oder Viruspersistenz umfassen. Da die meisten Menschen inzwischen bei Atemwegssymptomen keine SARS-CoV-2-Tests mehr durchführen, wird die Diagnosestellung zunehmend schwieriger. Daher besteht ein klarer Bedarf an verbesserten objektiven diagnostischen Verfahren für Post-COVID. Frühere Studien belegen, dass Hunde akute SARS-CoV-2-Infektionen zuverlässig erkennen können. Im ersten Projektteil werden die Hunde darauf trainiert, Post-COVID-Urinproben von Proben anderer Erkrankungen zu unterscheiden. Im zweiten Teil werden die von den Hunden identifizierten Post-COVID-Proben einer Metabolomik-Analyse unterzogen, um VOCs zu identifizieren und deren mögliche Quellen zu bestimmen – einschließlich viraler Ursprünge oder reprogrammierter Stoffwechselwege. Das übergeordnete Ziel ist es, das spezifische Geruchsprofil von Post-COVID-Proben zu entschlüsseln, das von den Hunden erkannt wird, und dadurch Einblicke in reprogrammierte Stoffwechselwege zu gewinnen, die an der Pathogenese von Post-COVID beteiligt sind. In diesem Projekt wird über COFONI gefördert und wir arbeiten mit dem Team von Prof. Volk von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Prof. Karsten Hiller von der Technischen Universität Braunschweig zusammen.