Forschung

Mit Zellen des angeborenen Immunsystems Leberkrebs bekämpfen

MHH-Gastroenterologe Dr. Bernd Heinrich sucht neue Therapien gegen das hepatozelluläre Karzinom (HCC), einen bösartigen Lebertumor.

Dr. Bernd Heinrich steht in einem Labor und hält ein Mikropipettiergerät in der Hand.

Untersucht die Rolle des angeborenen Immunsystems zur Bekämpfung von Leberkrebs: Dr. Bernd Heinrich; Copyright: Karin Kaiser / MHH

Stand: 21. Februar 2023

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist eine der häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Obwohl Virushepatitis und starker Alkoholkonsum wichtige Risikofaktoren sind, ist die nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) aufgrund ungesunder Ernährung vor allem in den Industrieländern mittlerweile mit eine der Hauptursachen für diese Form von Leberkrebs. Die Behandlung ist schwierig. Es gibt Hinweise, dass bestimmte Immuntherapien, die bereits zur Standardbehandlung bei HCC gehören, bei Betroffenen mit NAFLD nur begrenzt wirken. Dr. Bernd Heinrich, Assistenzarzt an unserer Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie, möchte daher einen anderen Weg gehen. Er nimmt Zellen des angeborenen Immunsystems in den Fokus, um den Leberkrebs zu bekämpfen. Im Rahmen des renommierten Max-Eder-Nachwuchsgruppenprogramms der Deutschen Krebshilfe erhält der Mediziner eine Förderung über vier Jahre in Höhe von 800.000 Euro und kann seine eigene Arbeitsgruppe aufbauen. „Dadurch bekomme ich die große Chance, meine Forschungsideen umzusetzen“, sagt der Gastroenterologe. Und MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns freut sich, dass die Deutsche Krebshilfe nach 2021 das Max-Eder-Stipendium erneut an ein Forschungstalent der Hochschule vergibt: „Das ist ein großer Erfolg für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Krebsforschung an der MHH.“

Krebszellen legen Immunzellen lahm

Unser Immunsystem verfügt über zwei Verteidigungslinien. Die unspezifische Immunabwehr, das sogenannte angeborene Immunsystem, ist die erste Abwehr gegen die meisten Infektionen und richtet sich unspezifisch gegen alle Krankheitserreger. Die zweite, adaptive Immunabwehr wird auch erworbenes Immunsystem genannt. Hier lernt das Immunsystem, Krankheitserreger gezielt zu erkennen und Antikörper gegen die Eindringlinge zu bilden. Die Standard-Immuntherapien gegen Tumore zielen auf das erworbene Abwehrsystem ab, das durch den Krebs geschwächt wird. Denn obwohl es in manchen Tumoren von Immunzellen nur so wimmelt, greifen sie ihn nicht an. Der Grund: Die Krebszellen senden Signale aus, die den Angriff lahmlegen. Um die „schlafenden“ Immunzellen zu wecken, werden Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt: Diese speziellen Antikörper binden an die Oberfläche der Abwehrzellen, die dadurch wieder aktiviert werden und den Tumor attackieren. „Leider sind die Ansprechraten vor allem bei Betroffenen mit Fettleber niedrig“, sagt Dr. Heinrich. Er setzt bei der Krebsabwehr daher auf Vertreter der ersten Verteidigungslinie, die angeborenen lymphoiden Zellen (innate lymphoid cells, ILC).

Bereits kurz nach seiner Promotion als Postdoktorand am National Cancer Institut im US-amerikanischen Bethesda erforschte der Gastroenterologe das Immunsystem in Zellkulturen und Tiermodellen von Leberkrebs und Lebermetastasen. Vor allem interessierte ihn dabei der Einfluss der Fettlebererkrankung auf die Immunantwort in Lebertumoren und die Rolle der ILCs in der unmittelbaren Tumorumgebung. „Das therapeutische Potenzial von ILC für die Immuntherapie ist noch weitgehend unbekannt“, stellt er fest. Mit seiner neuen Arbeitsgruppe will er zunächst klären, welche Rolle diese Immunzellen bei der Krebsabwehr spielen und wie sie im HCC-Tumor mit den Zellen des erworbenen Immunsystems kommunizieren. Dafür werden Proben von menschlichem Tumorgewebe mit gesundem Lebergewebe verglichen und analysiert, welche Immunzellen wann und wo aktiv sind. „So lernen wir, wie das Netzwerk der angeborenen und erworbenen Immunzellen im HCC-Tumor funktioniert und können die Erkrankung besser verstehen“, erklärt Dr. Heinrich.

Zytokine sollen Immunzellen aktivieren

In einem nächsten Schritt möchte er die Zellen des angeborenen Immunsystems so verändern, dass sie effektiver gegen die Krebszellen vorgehen. Das soll mit Hilfe von Zytokinen geschehen. Diese Botenstoffe werden bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet und aktivieren bestimmte Abwehrzellen wie ILCs. „Um die auch als Zytokinsturm bekannte überschießende Immunreaktion zu vermeiden, wollen wir die Botenstoffe nicht direkt in die Leber geben, sondern nur ihren Bauplan in Form von mRNA“, erläutert der Nachwuchsgruppenleiter. Dadurch werden die aktivierenden Zytokine erst nach und nach gebildet und der Zytokinspiegel steigt kontrolliert an. Einen zweiten Therapieansatz verspricht sich der Wissenschaftler von einer bestimmten Untergruppe der ILC, die wie Natürliche Killerzellen (NK) arbeiten und den programmierten Zelltod bei Zellen einleiten, die sich nicht als gesunde Körperzelle „ausweisen“ können – etwa Tumorzellen. Diese Sorte ILC kommt bei NAFLD-Betroffenen offenbar weniger häufig vor und könnte ein Grund dafür sein, dass diese Gruppe von HCC-Patientinnen und Patienten weniger gut auf die bisher eingesetzten Immuntherapien anspricht. Die Arbeitsgruppe will nun gezielt eine Substanz untersuchen, die NK-ähnliche ILC mobilisiert und somit die Anti-Tumor-Antwort verbessern könnte. Funktionieren die Therapieansätze im Mausmodell, könnten sie anschließend in einer klinischen Studie am Menschen getestet werden. „Das ist ein ambitioniertes Programm für vier Jahre“, gibt Dr. Heinrich zu. „Wir hoffen aber, unsere Ziele in den vier Jahren Förderzeit erreichen zu können.“