Bei seinem Antrittsbesuch in Niedersachsen informiert sich Bundeskanzler Friedrich Merz in der MHH über das Exzellenzcluster RESIST.

Zufriedene Gesichter (von links): Professor Markus Cornberg, Professor Reinhold Förster, Bundeskanzler Friedrich Merz; Professorin Gesine Hansen, Ministerpräsident Olaf Lies, MHH-Präsidentin Professorin Denise Hilfiker-Kleiner, Wissenschaftsminister Falko Mohrs und Professor Thomas F. Schulz. Copyright: Karin Kaiser/MHH

Zellen der Zukunft: Professor Nico Lachmann zeigt Bundeskanzler Friedrich Merz und Ministerpräsident Olaf Lies einen Bioreaktor, in dem er aus körpereigenen Stammzellen bestimmte Immunzellen (sogenannte Fresszellen) herstellt, die die Bakterien zerstören können. Copyright: Karin Kaiser/MHH

Abwehr in Echtzeit: Professor Reinhold Förster zeigt Bundeskanzler Friedrich Merz und Ministerpräsident Olaf Lies seine Forschung. Copyright: Karin Kaiser/MHH
In einem autonom fahrenden, elektrischen VW ID.Buzz ist Bundeskanzler Friedrich Merz heute zusammen mit Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies auf dem Campus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vorgefahren, um sich über das Exzellenzcluster RESIST zu informieren. Die MHH war nach der Staatskanzlei die zweite Station beim Antrittsbesuch des Kanzlers in Niedersachsen.
MHH-Präsidentin Professorin Dr. Denise Hilfiker-Kleiner und RESIST-Sprecher Prof. Dr. Reinhold Förster begrüßten den Kanzler und den Ministerpräsidenten und gaben einen ersten Einblick in die Arbeit der MHH und des Exzellenzclusters RESIST. „Wir freuen uns sehr, dass wir Ihnen unser Exzellenzcluster RESIST vorstellen dürfen“, so Professor Förster. „Wir forschen, um besonders anfällige Menschen besser vor Infektionen mit Viren und Bakterien schützen zu können – dies sind insbesondere Neugeborene, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit einer angeborenen Immunschwäche sowie Menschen, deren Immunsystem aus therapeutischen Gründen gedämpft wird. RESIST zielt darauf ab, Infektionen zu verhindern und bessere Diagnosen und Therapien zu entwickeln.“ Professor Förster erläuterte die Forschung und Ziele von RESIST zusammen mit Co-Sprecherin Prof. Dr. Gesine Hansen und Co‐Sprecher Prof. Dr. Thomas F. Schulz sowie Prof. Dr. Markus Cornberg, Direktor des Zentrums für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM) und Klinischer Direktor des Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Zur Veranschaulichung der Forschung in RESIST besuchten die Gäste anschließend zwei Labore und trafen zwei Patienten.
Kanzler Merz zeigt sich sehr beeindruckt
Kanzler Merz sagte im Anschluss an seinen Besuch: „Mich haben die Forschungserfolge des Exzellenzclusters RESIST beeindruckt. Ich hatte Gelegenheit, eine junge Familie zu sehen mit einem frühgeborenen Kind, das eine Sepsis überlebt hat, weil verschiedene Forschungsbereiche zusammengearbeitet haben. Man sieht an solchen Praxisbeispielen, wie sehr Grundlagenforschung notwendig ist, um zu neuen Therapien zu kommen. Ich bin wirklich sehr beeindruckt. Auch emotional ist das ein ausgesprochen ermutigender Besuch gewesen für mich zu sehen, was wir können – in Prävention, Diagnostik und Therapie.“ Mit Blick auf das autonome Fahren und die Forschung an der MHH fasste der Bundeskanzler seinen Besuch in Hannover zusammen mit den Worten: „Das ist Deutschland von seiner allerbesten Seite.“
„Niedersachsen kann Zukunft – und die MHH ist ein Teil unserer Zukunft. Das haben wir heute hier eindrucksvoll erfahren anhand des Clusters RESIST mit seinen Kompetenzen in Forschung und Klinik“, so das Fazit von Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies. „Wir konnten mit den Eltern des Babys Leon sprechen, der nicht überlebt hätte ohne die Behandlung dieser Universitätsklinik, und mit einem Patienten, für den es ohne die MHH auch keine Zukunft gegeben hätte. Wir sind stolz auf unsere MHH.“
MHH-Präsidentin Professorin Hilfiker-Kleiner hofft, dass der Kanzler wiederkommt: „Wir sind begeistert, dass der Bundeskanzler die MHH besucht hat und sich auf uns eingelassen hat. Die MHH steht als Supramaximalversorgerin für exzellente, patientennahe Medizin, getragen von wissenschaftsbasierter, translational orientierter Lehre und interprofessioneller Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe. Wir sind die einzige reine Medizinuniversität Deutschlands und bewerben uns im bundesweiten Spitzenforschungswettbewerb als Exzellenzuniversität. Jetzt fühlen wir uns dabei unterstützt vom Bundeskanzler.“
Die vier Stationen
Zellen der Zukunft
Im ersten Labor erläuterte RESIST‐Professor Dr. Nico Lachmann zusammen mit seinem Team wegweisende, zellbasierte Therapieansätze gegen antibiotikaresistente bakterielle Infektionen. Im Fokus stehen dabei körpereigene Immunzellen, die Krankheitserreger gezielt zerstören können. Diese Fresszellen (Makrophagen) stellt er aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) her – dies sind aus Körperzellen hergestellte Stammzellen. Professor Lachmanns Team hat eine weltweit einzigartige Technologie etabliert: die skalierbare, biotechnologische Herstellung menschlicher Immunzellen (zum Beispiel Makrophagen) aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC). Der Forscher zeigte den Gästen, wie sich menschliche Immunzellen aus iPSC in Bioreaktoren herstellen lassen und wie diese Zellen Krankheitserreger beseitigen. Die Möglichkeit, menschliche Immunzellen in unbegrenzten Mengen zu produzieren, legt den Grundstein für neuartige Therapieoptionen zur Behandlung von Infektionskrankheiten. In Deutschland könnten so potentiell 40.000 bis 50.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr von dieser Therapie profitieren.
Abwehr in Echtzeit
Im zweiten Labor veranschaulichte Professor Förster Forschung, die sich um das humane Cytomegalovirus (HCMV) drehen. Diese Viren kann der Körper normalerweise unter Kontrolle halten. Aber wenn das Immunsystem stark geschwächt ist – beispielsweise nach einer Transplantation – können sie wieder aktiv werden und schwere Infektionen verursachen. Es besteht die Möglichkeit, solche Infektionen mit T‐Zellen zu behandeln, die das Virus gezielt angreifen, diese Therapie wird bereits in der Klinik getestet. Aber es ist noch nicht genau bekannt, wie die HCMV‐spezifischen T‐Zellen infizierte Zellen in echtem menschlichen Lungengewebe erkennen und bekämpfen. Dies untersucht das Team von Professor Förster. Dafür infizieren die Forschenden sehr dünn geschnittenes Lungengewebe mit HCMV. Dabei ist das Virus so programmiert, dass es ein grün leuchtendes Protein herstellt, sobald eine menschliche Zelle infiziert ist. Anschließend werden T‐Zellen hinzugefügt, die mit einem roten Farbstoff markiert sind. Per 2‐Photonen‐Mikroskop kann nun in Echtzeit beobachtet werden, wie die Abwehrzellen infizierte Zellen abtöten. Die Ergebnisse könnten langfristig dazu beitragen, bessere, individuell angepasste Zelltherapien zu entwickeln, um besonders gefährdete Patientinnen und Patienten nach einer Transplantation wirksamer und sicherer vor HCMV‐Infektionen zu schützen.
Schutz für Früh‐ und Neugeborene
Professorin Hansen und ihr Team erläuterten den Gästen Infektionsforschung, die Neugeborenen zugutekommt – im Beisein eines Patienten (eines Babys) und seinen Eltern. Neonatale Sepsis (Blutvergiftung) ist weltweit eine der Hauptursachen für Säuglingssterblichkeit, insbesondere für Frühgeborene. Bis vor Kurzem wurde angenommen, dass die Unreife des Immunsystems von Neugeborenen für die hohe Infektionsanfälligkeit verantwortlich ist. Die Forschenden haben jedoch festgestellt, dass hohe Konzentrationen des Proteins S100A8/A9 Alarmin (kurz S100) im Blut Neugeborener und in der Muttermilch überschießende Immunreaktionen bei Neugeborenen verhindern und diese damit vor Sepsis schützen. Dementsprechend sind niedrige Blutspiegel des S100, wie sie regelmäßig bei Frühgeborenen auftreten, mit einem erhöhten Risiko für schwere Infektionen verbunden. In experimentellen Modellen konnte das Team zeigen, dass die einmalige Gabe von S100 nach der Geburt das Infektionsrisiko erheblich senkt. Die Forschenden haben herausgefunden, dass S100 das Immunsystem des Neugeborenen reguliert und eine günstige Entwicklung des Darmmikrobioms fördert. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich neue Strategien für die Prävention schwerer Infektionen bei Früh‐ und Reifgeborenen ableiten. Hierzu führen die Forschenden erste klinische Studien durch und überprüfen die industrielle Herstellung von S100, um dieses schützende Protein gegebenenfalls Säuglingsnahrung zuführen zu können.
Neue Behandlung gegen Hirnentzündung
Anschließend erläuterte Prof. Dr. Thomas Skripuletz mit seinem Team im Beisein des Patienten Jürgen Brünning-Kuhlmann eine neue Therapie gegen die tödliche Erkrankung Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML) – eine seltene, aber sehr schwere Virusinfektion des Gehirns, die vor allem bei geschwächten Immunsystem auftritt. Sie wird durch das JC‐Virus (auch HPyV2 genannt) ausgelöst. Die PML tritt heute vor allem Menschen mit Krebserkrankungen des Blutes auf, die Medikamente zur Unterdrückung des Tumors bekommen und somit eine Immunschwäche aufweisen. Ohne Behandlung sterben bis zu 90 Prozent der Betroffenen innerhalb weniger Monate nach der Diagnose. In Deutschland werden jährlich etwa 100 bis 150 neue PML‐Fälle diagnostiziert. Da das Immunsystem bei vielen dieser Patienten stark geschwächt ist, gibt es oft keine einfache Behandlung. Ein neuer Therapieansatz besteht darin, das Immunsystem gezielt mit speziellen Abwehrzellen – sogenannten virusspezifischen T‐Zellen – zu unterstützen. An der MHH wurde dieses Behandlungskonzept so aufgebaut, dass in kürzester Zeit den Betroffenen eine Behandlung mit den virusspezifischen T‐Zellen zur Verfügung gestellt werden kann, die aus gesunden Spendern isoliert werden. T‐Zellen konnten bei der Mehrzahl der bisher Behandelten ein weiteres Krankheitsvoranschreiten verhindern und zu einer Stabilisierung oder Verbesserung der klinischen Defizite führen. In RESIST untersuchen wir, wie die übertragenen Zellen für die Therapie optimiert werden können.
RESIST – Forschen für die Schwächsten
Ziel des Exzellenzclusters RESIST „Resolving Infection Susceptibility“ ist es, besonders anfällige Menschen besser vor Infektionen zu schützen. Viren und Bakterien sollen ihnen keinen großen Schaden mehr zufügen können. RESIST will bessere Prävention, Diagnosen und Therapien ermöglichen – beispielsweise für Neugeborene, Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit einer angeborenen Immunschwäche sowie Personen, deren Immunsystem aus therapeutischen Gründen gedämpft wird.
RESIST besteht aus rund 60 in der Klinik tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie Grundlagenforscherinnen und -forschern und ihren Teams. Sie arbeiten in sechs Partner-Institutionen (MHH, HZI, CiiM, TWINCORE, CSSB, CCI und TiHo und kooperieren mit den DZL, dem DZIF und der Universität Lübeck. Im Fokus des Interesses stehen das menschliche Immunsystem, die Genetik sowie die Viren und Bakterien. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert RESIST.
►Mehr Informationen finden Sie hier: www.RESIST-cluster.de.
Text: Bettina Bandel