Als Teil eines bundesweiten Netzwerks soll das Comprehensive Care Center zu besserer Diagnostik und Behandlung in Niedersachsen beitragen.

Long-COVID bleibt auch Jahre nach der Pandemie ein Thema. Copyright: pixabay, Karin Kaiser/MHH

Gründliche Diagnostik: Im CCC gehen die Experten den Beschwerden auf den Grund. Copyright: Canva
Viele Fragen zu Long-COVID sind noch ungeklärt. So ist beispielsweise die genaue Ursache der Erkrankung noch nicht vollständig erforscht. Das erschwert die Diagnose und auch die Behandlung der Betroffenen. Um die Versorgungssituation speziell von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, werden zurzeit in allen Bundesländern spezialisierte Einrichtungen, sogenannte Comprehensive Care Center (CCC) aufgebaut. Eines der insgesamt 20 CCC entsteht in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Die CCC sind interdisziplinär und multiprofessionell konzipiert. Gemeinsam mit wissenschaftlichen und klinischen Partnern bauen wir regionale Behandlungsstrukturen für das Land Niedersachsen auf“, erklärt Privatdozent (PD) Dr. Martin Wetzke. Er ist Oberarzt in der Abteilung für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie und leitet das CCC der MHH.
Viel Erfahrung mit der Patientengruppe
Beim Aufbau des Versorgungszentrums an der MHH können Dr. Wetzke und sein Team auf wertvolle Erfahrungen zurückgreifen. In der Spätphase der COVID-19-Pandemie gab es dort eine Long-/Post-COVID-Ambulanz für Kinder und Jugendliche, in der insgesamt rund 200 Betroffene untersucht und behandelt wurden. Dazu gehörten nicht nur Patientinnen und Patienten mit Long-COVID, sondern auch mit Beschwerden nach einer COVID-Impfung oder mit myalgischer Enzephalomyelitis/ Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) unbekannter Ursache. ME/CFS beschreibt einen schweren Erschöpfungszustand, der nach verschiedenen Virusinfektionen auftauchen kann. „Eine COVID-Erkrankung kann die Ursache ein, muss es aber nicht. Eine Long-COVID-Diagnose ist oft eine Ausschluss-Diagnose“, sagt Dr. Wetzke. Dieser Umstand beschreibt eine Kernaufgabe des CCC: die Betroffenen mit ihren unterschiedlichen Beschwerden zu untersuchen und eine möglichst gesicherte Diagnose zu stellen. „Eine sichere Diagnose ist immer die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie“, sagt Dr. Wetzke.
Zahlreiche Fachleute eingebunden
In einigen Wochen sollen die Strukturen des CCC stehen. Dann können die ersten Patientinnen und Patienten aufgenommen werden. Dabei ist auch daran gedacht, dass die Fachleute des CCC besonders schwer betroffene Kinder und Jugendliche zu Hause aufsuchen und den Familien Unterstützungsangebote im Alltag machen. Um möglichst viele Erkrankte niedrigschwellig betreuen zu können, kooperiert das CCC bei der Grundversorgung mit regionalen Spezialambulanzen und -stationen sowie mit geschulten Kinder- und Jugendärzten und Hausarztpraxen. Mit im Boot sind außerdem psychologische und psychiatrische, sozial- und palliativmedizinische Fachleute sowie Experten und Expertinnen der rehabilitativen Medizin.
Bundesweiter Verbund
So wie in Hannover entstehen an 19 weiteren Standorten in Deutschland Versorgungszentren, die alle dem sogenannten PEDNET-LC-Verbund angehören. Die Zentren bilden ein Netzwerk, um Wissen zu Häufigkeit, Diagnostik, Behandlung und Prognose von Long-COVID bei jungen Menschen zu gewinnen, zu bündeln und in die Versorgung der Patientinnen und Patienten einzubringen. „In Kooperation mit den anderen CCC werden wir standardisierte Versorgungsstrukturen und klinische Leitlinien für die Diagnostik und Therapie in Deutschland entwickeln“, erläutert Dr. Wetzke. Die Grundlage wird unter anderem ein bundesweites Patientenregister mit Daten zu Lebensqualität, Symptomen, Diagnosen und Gesundheitswerten sein. So soll die Versorgung von jungen Menschen mit Long-COVID und ähnlichen Erkrankungen in Deutschland nachhaltig verbessert werden. Das ist auch mit Blick auf Zukunft sinnvoll. „Mittlerweile zeichnet sich ab, dass COVID-19 wahrscheinlich zu einer Endemie wird. Das bedeutet, dass die Erkrankung regelmäßig auftritt und die Zahl der Infizierten – und damit auch der Long-COVID-Fälle – relativ konstant ist“, erklärt Dr. Wetzke.
Die Abkürzung PEDNET-LC steht für „Pädiatrisches Netzwerk für die Versorgung und Erforschung von postakuten Folgen von COVID-19, ähnlichen postakuten Infektions- und Impfsyndromen sowie ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen“. Die Projektleitung hat die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Technischen Universität München inne. Am PEDNET-LC-Verbund beteiligt sind insgesamt 38 Einrichtungen des Gesundheitswesens. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert PEDNET-LC mit insgesamt rund 41 Millionen Euro. Davon entfällt gut eine Million Euro auf das CCC an der MHH.
Text: Tina Götting