Gesundheit

Sonnenstrahlen und Hautkrebs: Das sollten Sie wissen

Hautkrebs ist die häufigste Krebsart der Deutschen. Trotz vieler Warnungen vor UV-Strahlung nehmen die Neuerkrankungen zu. Ein Interview mit MHH-Dermatologe Prof. Gutzmer.

Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer. Copyright: privat/MHH

Stand: 17. Juli 2020

Endlich Sommer - nur die wenigsten zieht es bei schönstem Sonnenschein nicht nach draußen, in den Park, ins Freibad oder im Urlaub an den Strand. Doch diese wenigsten machen es laut MHH-Professor Ralf Gutzmer eigentich ganz richtig: Sie meiden die direkte Sonne. Denn in der Sonne setzen wir unsere Haut jedesmal einem großen Risiko aus: Hautkrebs - die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt seit Jahren koninuierlich an. Rund 200.000 sind es zurzeit. Zwar verlaufen die meisten Fälle glimpflich. Aber: Die aggressivste Form, der schwarze Hautkrebs, ist lebensbedrohlich. Rund 3000 Deutsche sterben daran jedes Jahr. Und die Patienten werden immer jünger. Im Interview erläutert Dermatologe Prof. Dr. Ralf Gutzmer, Leiter des MHH-Hauttumorzentrums, die Risikofaktoren, Vorsorge- und Therapiemöglichkeiten.

Frage: Warum sind Sonnenstrahlen so gefährlich für die Haut?

Prof. Gutzmer: Die Sonnenstrahlen schädigen die Zellen der Haut, und zwar die DNA, wodurch das Krebsrisiko steigt. Außerdem sorgen die Strahlen für eine Immunsuppression in der Haut, d.h. das körpereigene Abwehrsystem wird vermindert. Es gibt einmal Schäden, die im Kindesalter bis etwa zum 12. Lebensjahr auftreten. Diese Schäden erhöhen das Risiko für den gefährlichen schwarzen Hautkrebs. Für den hellen oder weißen Hautkrebs ist wichtig, wie lange wir insgesamt in unserem Leben der Sonne ausgesetzt waren. Bei der Ursache, der UV-Strahlung, muss man unterscheiden zwischen UVA- und UVB-Strahlen. UVA-Strahlen dringen tiefer in die Haut ein, aber sie sind nicht so gefährlich, weil sie die DNA der Zellen nicht direkt schädigen. Es kommt zwar auch zu Zellveränderungen, die die DNA indirekt schädigen können. Aber das Risiko insgesamt ist nicht so hoch wie bei UVB-Strahlen. Diese haben eine kürzere Wellenlänge, dringen daher nicht so weit in die Haut ein, schädigen aber dafür direkt die DNA. Dabei ist es egal, ob die Strahlen künstlich, also vom Solarium, oder von der Sonne kommen.

Frage: Gibt es eine Zeitspanne, wie lange man sich der Sonne ohne Risiko aussetzen kann?

Prof. Gutzmer: Bei der Sonne ist es so: je mehr desto schlechter. Da gibt es keinen Grenzwert. Je mehr Sie sich der Sonne aussetzen, desto größer wird das Risiko. Es gibt allerdings auch die Empfehlung bis zu 20 Minuten am Tag in die Sonne zu gehen, um Vitamin-D-Mangel vorzubeugen. Das klingt dann natürlich etwas widersinnig.

... weil man die Sonne eigentlich meiden sollte, andererseits die Strahlung aber auch braucht?

Prof. Gutzmer: Ja, aber man kann Vitamin D auch seht gut auf anderem Wege zu sich nehmen. Wir haben viele Patienten, die die Sonne meiden sollen und da empfehle ich dann Vitamin-D-Präparate als Nahrungsergänzung, die es ja in Drogerien und Supermärkten gibt. Das reicht für eine gesunden Vitamin-D-Spiegel aus. Wer solche Präparate nicht nehmen will, für den reichen für die körpereigene Vitamin-D-Produktion kaximal 20 Minuten im Tageslicht, aber nur Gesicht, Hände und Unterarme ungeschützt.

Was ist der Unterschied zwischen schwarzem und weißem Hautkrebs?

Prof. Gutzmer: Der Unterschied liegt in den Zellen, die betroffen sind. Beim schwarzen Hautkrebs sind es die pigmentbildenden Zellen, beim weißen die hornhautbildenden. Die Krebsarten verhalten sich auch verschieden: Der weiße Hautkrebs muss erst länger wachsen bis er metastasiert. Der schwarze fängt schon klein an und metastasiert sehr früh.

Gibt es bestimmt Risikogruppen, die ihre Haut besonders schützen sollten?

Prof. Gutzmer: Man kann sagen, je dunkler der Hauttyp desto geringer ist das Hautkrebsrisiko. Also der typische Hauttyp 1 mit roten Haaren, kaum Pigmentierung, grünen Augen ist sehr gefährdet und bekommt auch sehr schnell einen Sonnenbrand. Wohingegen der Hauttyp 6 mit schwarzer Haut nur äußerst selten Hautkrebs bekommt. Wenn, dann bildet sich der Krebs bei diesen Menschen an der Schleimhaut oder an Handinnenflächen oder Füßen, wo die Haut heller ist. Beim schwarzen Hautkrebs ist wie bereits erwähnt wichtig, wie lange man als Kind UV-Strahlung ausgesetzt war. Ein weiterer Risikofaktor sind viele Muttermale, die zwar eigentlich gutartig sind. Aber je mehr man davon hat, desto höher ist die Gefahr, dass eines entartet. Auch familiäre Belastung ist ein Faktor. Bezogen auf Patientengruppen sind außerdem Menschen betroffen, die Immunsuppressiva nehmen, wie etwa Organtransplantierte und Rheumapatienten. Denn die UV-Strahlen führen zu einer zusätzlichen Immunsuppression.

Das klingt alles ziemlich gefährlich - muss man Angst vor der Sonne haben?

Prof. Gutzmer: Nein, Sport und sich draußen aufzuhalten ist ja auch ein Stück Lebensqualität. Man kann sich nicht immer im Keller einschließen. Das macht keinen Sinn. Wir empfehlen vernünftige Spielregeln:
1. Nicht in die Mittagssonne gehen, also zwischen 12 und 15 Uhr, wenn die Sonne am meisten "brennt", gar nicht rausgehen.
2. Textiler Sonneschutz: Wenn man in die Sonne geht, ein T-Shirt anziehen und eine Kappe oder einen Hut aufsetzen, damit auch die Ohren geschützt sind.
3. Lichtschutzcremes: Die sind allerdings der schlechteste Sonnenschutz ...

Kann man dann schon fast auf die Sonnencreme verzichten?

Prof. Gutzmer: Nein, denn auch, wenn man die Punkte 1 und 2 befolgt, gibt es ja immer Bereiche wie Hände, Unterarme und Gesicht, die immer der Sonne ausgesetzt sind. Die Bereiche sollte man dann eincremen. Menschen mit hohem Risiko empfehle ich, schon morgens routinemäßig Lichtschutzfaktor 50 direkt als Hautpflege aufzutragen. Gut sind auch spezielle Apps fürs Handy, die den aktuellen UV-Index anzeigen.

Warum ist die Hautkrebsvorsorge so wichtig und wie oft sollte man das machen?

Prof. Gutzmer: Seit 2008 haben wir in Deutschland diese Vorsorge. Ab dem 35. Lebensjahr wird sie alle zwei Jahre von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen - das ist ein Programm, das es so sonst nicht in Europa gibt. Ich halte es für sehr wichtig. Zum einen, weil man dort eine Beratung über sein persönliches Risiko bekommt und entsprechende Empfehlungen sich zu schützen. Zum anderen können bei der Untersuchung Veränderungen an der Haut frühzeitig entdeckt werden, die man meist selbst gar nicht bemerken würde. Je früher so ein Hautkrebs entdeckt und entfernt wird, desto besser ist die Prognose. Und letztlich bedeutet dieses Hautkrebsscreening ja kein Risiko, kein Eingriff, der wehtut. Man muss sich nur einmal ausziehen und wird von oben bis unten angesehen. Gerade wenn man diese Vorsorge mit einer Mammographie oder einer Darmspiegelung vergleicht, sind Risiko und Aufwand sehr gering - und der Nutzen dafür groß.

Aufwendiger wird es aber, wenn ein Pigmentmal auf Verdacht entfernt wird. Was sagen Sie zu der Kritik, dass Ärzte zu schnell solche Male wegschneiden?

Prof. Gutzmer: Ich bin der Meinung: im Zweifelsfall immer weg. Und die Trefferquote ist auch nicht schlecht. Wenn man sich die Zahlen ansieht und vergleicht - die Zahl der Entnahmen und die Zahl der dabei diagnostizierten Hautkrebsfälle - dann ergibt sich etwa das Verhältnis 16:1. Natürlich kann man alternativ abwarten und nach drei bis sechs Monaten wieder kontrollieren. Aber dann verliert man unter Umständen wertvolle Zeit. Das ist immer eine Abwägungssache und ich bespreche das individuell mit den Patienten. Erlauben Sie den Vergleich zum Zahnarzt: Der behandelt eine Karies ja auch, bevor Beschwerden eintreten, und bevor der Zahn kaputt ist. Das sind Vorsichtsmaßnahmen.

Welche Therapiemöglichkeiten für Hautkrebs gibt es?

Prof. Gutzmer: Bei 90 Prozent der Patienten wird der Hautkrebs chirurgisch entfernt. Beim hellen/weißen Hautkrebs wird das komplett gemacht, bis die Ränder tumorfrei sind. Weil man den Krebs mit bloßem Auge nicht so gut sehen kann, machen wir das histologisch kontrolliert, d.h. der Pathologe macht immer wieder Gewebeuntersuchungen, um die Ränder abzuklären. Am Körper ist es in der Regel unkompliziert, mehr Haut zu entnehmen, im Gesicht aber wird es vom Aufwand höher, den Defekt wieder zu schließen. Hier arbeiten wir dann zum Beispiel mit Hautverpflanzungen.
Beim schwarzen Hautkrebs operiert man immer mit Sicherheitsabstand, d.h. man verlässt sich nicht auf das bloße Auge, sondern nimmt noch ein bis zwei Zentimeter mehr weg, weil der Krebs so früh metastasieren kann. Zusätzlich wird ab einer bestimmten Risikostufe der dazugehörige Lymphknoten herausgenommen. Dann erfolgt eine Risikoabschätzung, die in den meisten Fällen ergibt, dass sich der Patient einer regelmäßigen Nachsorge unterziehen muss. Bei etwa 20 Prozent der Fälle wird das Risiko hoch eingeschätzt und dann wird in der Regel eine medikamentöse Therapie empfohlen.
Wenn der Krebs Metastasen gebildet hat, sich also ausgebreitet hat, gibt es die Therapie-Optionen: Operation, Bestrahlung und Medikamente. Das muss dann im Einzelfall entschieden werden. Dafür haben wir an der MHH die wöchentliche Tumorkonferenz, bei der die Experten aus den verschiedenen Bereichen Dermatologie, Chirurgie, Innere Medizin, Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie über die Fälle beraten und Empfehlungen aussprechen.

Das Interview führte Vanessa Meyer