Exzellenzstrategie

MHH fit machen für die Zukunft

MHH-Präsidentin Professorin Dr. Denise Hilfiker-Kleiner spricht über die Chancen des Exzellenzuni-Antrags.

Professorin Hilfiker-Kleiner sitzt an einem Schreibtisch und spricht mit einer Person ihr gegenüber

MHH-Professorin Denise Hilfiker-Kleiner im Interview. Copyright: Karin Kaiser/MHH

Frau Präsidentin, die MHH hat ihren Hut in den Ring geworfen und will Exzellenzuni werden. Sie dürfen bis zum 12. November einen konkreten Antrag stellen. Was ist schon passiert und welche Aufgaben liegen jetzt vor Ihnen?

Zunächst einmal haben wir uns riesig gefreut, dass wir nun die Chance haben, Exzellenzuniversität zu werden. Das bedeutet, Exzellenz über die gesamte MHH anzustreben, also Forschung, Lehre und Krankenversorgung ebenso wie Ausbildung, Verwaltung und Leitung. Dafür braucht es zuerst eine Bestandsaufnahme, insbesondere eine genaue Analyse unserer Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Das haben wir in Angriff genommen und dem Antragsformat folgend für sechs Bereiche Arbeitsgruppen gebildet, die nun das Exzellenzprofil der MHH entwickeln. Die Arbeitsgruppen sind aus Mitarbeitenden aller Bereiche und Hierarchieebenen zusammengesetzt, die zu den jeweiligen Unterthemen beitragen können. In der Arbeitsgruppe Lehre etwa sind das nicht nur der Studiendekan und Professorinnen und Professoren, sondern auch Mitarbeitende aus der Pflege sowie Studierende vertreten. Die Arbeitsgruppen sind zudem keine abgeschotteten Einheiten, sondern sie holen sich weitere Expertinnen und Experten aus der MHH dazu, die sie unterstützen. Außerdem sind Ideen und Anregungen von allen MHH-Beschäftigten und unseren Studierenden willkommen und ausdrücklich erwünscht. Ein Koordinierungsteam aus Präsidium und Dekanen entwickelt eine übergeordnete Strategie für die Ausrichtung der MHH für die nächsten sieben Jahre.

Sie haben einmal gesagt, Ihre Vision sei eine MHH als nationaler und internationaler Leuchtturm für die Spitzenforschung, als Magnet für die besten Kräfte, als bester Arbeitsplatz und als Garant für zukunftsweisende Krankenversorgung. Ist es für diese Ziele nötig, Exzellenzuni zu werden?

Der Antrag bietet uns jetzt die Gelegenheit, jeden Bereich in der MHH auf den Prüfstein zu stellen und genau zu schauen, wer wir sind, wo wir stehen und wohin wir wollen. Dieser Aufgabe hätten wir uns ohnehin stellen müssen, um uns fit für die Zukunft zu machen. Ich sehe diese Möglichkeit als Geschenk, das uns besonders motiviert. Nach 60 Jahren bauen wir die MHH neu, da passt es gut, vieles auch neu zu denken.

Der Begriff Exzellenzuni klingt für eine Klinik, die zudem Supramaximalversorgerin ist, erstmal etwas „forschungslastig“. Was haben die Patientinnen und Patienten davon?

Der Antrag baut zwar auf unseren drei Forschungsschwerpunkten auf, also Infektion und Immunität, Transplantation und Regeneration sowie Biomedizintechnik und Implantate. Vernetzungen, Synergien und Alleinstellungsmerkmale sollen zudem über Potenzialbereiche wie Onkologie und Neurowissenschaften und die Querschnittsbereiche Versorgungsforschung/Public Health, Gendermedizin und Digitalisierung/KI geschaffen werden. Im Mittelpunkt steht dabei aber immer die bestmögliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten. Wir wollen mit Hilfe fachübergreifender exzellenter Forschung, Lehre und Ausbildung in der Medizin maßgebliche Neuerungen und Verbesserungen für die Gesundheitsversorgung der ganzen Gesellschaft bewirken.

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Das Antragmotto lautet INSPIRE HEALTH. Welche Ziele verfolgt die MHH damit?

Unsere übergeordneten Ziele heißen Prävention, Prädiktion und Präzisionsmedizin. Das bedeutet, die Entstehung von Krankheiten durch Vorsorge und Aufklärung zu vermeiden, Erkrankung zumindest so früh wie möglich zu entdecken, Folgeschäden nach Erkrankung zu minimieren oder in Schach zu halten und auf die Patientinnen und Patienten genau zugeschnittene Diagnostik und Therapie anzubieten. Dabei wollen wir über die MHH hinaus Impulse für eine zukunftsorientierte Gesundheitsforschung und Versorgung geben. Das gilt auch für globale Herausforderungen durch den demografischen Wandel, mögliche neue Pandemien und den Klimawandel.

Bei den Exzellenzclustern hat ausgerechnet der Neuantrag R-CUBE, der den Schwerpunktbereich Transplantation und Regeneration betrifft, den Zuschlag nicht erhalten. Ist das ein Rückschlag für die MHH und könnte das dem Antrag schaden?

R-Cube ist in die Hauptantragsphase gekommen und sehr gut begutachtet worden. Die MHH ist das größte nationale Transplantationszentrum mit einer unglaublichen Exzellenz und Expertise in diesem Bereich. Das ist uns von den Gutachterinnen und Gutachtern für R-Cube auch so bestätigt worden. Dennoch haben wir hier unsere Hausaufgaben zu machen: Innovationen steigern, auch Neuausrichtungen von einzelnen Bereichen wagen, Forschungsverbünde einwerben und exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen. Jetzt gilt es, unsere Stärken weiter auszubauen, Schwächen zu erkennen und zu analysieren und dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Für mich ist dieser Prozess das Herzstück des Ganzen. Wir sind in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt, haben einen erfolgreichen Modellstudiengang HannibaL und bieten eines der besten Nachwuchs- und Karriereförderprogramme – maßgeschneidert von Angeboten für Schülerinnen und Schüler über Promovierende bis hin zu angehenden Führungspositionen in Wissenschaft und Wirtschaft. Das macht uns zur Talentschmiede für die Medizinerinnen und Mediziner ebenso wie die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler von morgen. Allerdings müssen wir auch unsere Defizite beheben.

Welche sind das?

Wir verfügen bislang leider nicht über eine adäquate Ausstattung in den Bereichen Informatik, Digitalisierung, KI und Bioinformatik. Obwohl wir mit dem Peter L. Reichertz Institut seit mehr als 50 Jahren das Expertenwissen im Bereich Medizininformatik ausbauen, gibt es Nachholbedarf – zum Beispiel im Aufbau eines flächendeckenden WLANs, der Digitalisierung von Prozessen in Forschung und Lehre und der zukunftsorientierten und sicheren Nutzung von KI. Da sind wir aber dran. Auch ist die bauliche Infrastruktur veraltet, was durch den geplanten Neubau und den Masterplan für den Bestandscampus eine erfreuliche Perspektive gewinnt.

Bundesweit sind 15 Plätze für Exzellenzunis zu vergeben, worum sich zehn bestehende und elf neue Antragsteller bewerben. Wie realistisch sind die Chancen der MHH als einziger „Spartenuni“?

Ich sehe es tatsächlich eher als Vorteil, dass wir als Spartenuniversität mit dem Thema Gesundheit und Medizin sehr fokussiert antreten können. Wir integrieren auf unserem Campus Forschung, Lehre und Krankenversorgung auf höchstem Niveau. Die Mitarbeitenden und Studierenden, mit denen ich gesprochen habe, fühlen sich mitgenommen und sehen diesen Weg als enorme Chance. Wir verstehen unsere Exzellenzcluster als Kristallisationspunkte, in die Mitarbeitende aus allen Statusgruppen und aus allen Bereichen der MHH eingebunden sind und die so auf die gesamte MHH ausstrahlen. Das ist viel einfacher als für eine Voll-Universität, die ihre speziellen Cluster in die gesamte Breite der verschiedenen Fakultäten einbinden muss. Wir dagegen haben die Patientinnen und Patienten und die medizinische Forschung und Lehre als große verbindende Themen. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, in allen Bereichen exzellent zu sein, so dass auch möglichst alle davon profitieren – egal, ob sie hier arbeiten, studieren oder medizinisch versorgt werden.

Interview: Kirsten Pötzke