Auf dem Weg zu besseren Therapien: Forschende haben erstmals eine direkte Verbindung zwischen Zentromeren und Immunität hergestellt.

Professor Dölken im Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Auf dem Bildschirm ist die Abbildung eines Chromosoms zu sehen mit dem Zentromer in der Mitte. Copyright für das Foto: Karin Kaiser/MHH; Copyright für die Abbildung auf dem Bildschirm: iStock/peterschreiber.media
Manche Krebs- und chronisch-entzündliche Erkrankungen werden mit Immuntherapien behandelt. Dabei wird das Immunsystem des Betroffenen stimuliert, damit es Tumorzellen erkennt und zerstört. Um solche Therapien zu verbessern, suchen Forschende nach Mechanismen, die an der Auslösung einer Immunantwort beteiligt sind. Darauf aufbauend können weitere hilfreiche Moleküle entwickelt werden. Nun haben Forschende einen solchen Mechanismen an einem unerwarteten Ort entdeckt: Sie haben herausgefunden, dass die sogenannten Zentromere – das sind die Bereiche der Chromosomen, die vor allem für die Zellteilung wichtig sind – und das Immunsystem direkt verbunden sind. Die Forschungsergebnisse veröffentlichte die renommierte Fachzeitschrift „Cell“.
Die Arbeit ist durch den Einsatz von Virusmutanten möglich geworden, die das Team von Prof. Dr. Lars Dölken, Direktor des Instituts für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), für ihren Einsatz in der Forschung hergestellt hatte. Bei den Viren handelt es sich um Herpes-Simplex-Viren Typ 1 (HSV-1), die Lippenbläschen verursachen. Die Studie wurde am Institut Curie, Paris, Frankreich, von Professor Nicolas Manel (INSERM) und Dr. Xavier Lahaye (CNRS) in Zusammenarbeit mit dem Team von Professor Daniele Fachinetti (CNRS) durchgeführt.
Viren sind wertvolle Werkzeuge für die Forschung. Sie können Zellen infizieren, deren Funktionen kapern und starke Immunreaktionen auszulösen. Herpesviren sind besonders interessant, weil sie sogar in den Kern der Zelle eindringen können. „Das Forschungsteam um Professor Manel hat herausgefunden, dass die in den Zellkern eingedrungenen Viren die Stabilität der Zentromere stören, was zu einer selektiven DNA-Replikation dieser Chromosomen-Regionen führt. Diese ungewöhnliche DNA-Vermehrung wird von der Zelle erkannt und triggert eine Aktivierung des zelleigenen Immunsystems und somit eine systemische antivirale Reaktion“, beschreibt Professor Dölken, der auch Forscher im Exzellenzcluster RESIST ist. „Die Hoffnung ist nun, dass die Identifizierung und Entschlüsselung der zugrunde liegenden Mechanismen zur Entwicklung neuer Immuntherapien gegen Viren oder Krebs führt.“
Text: Bettina Bandel