Gesundheit

Wenn jede Minute zählt - Bei Schlaganfallpatienten arbeiten alle Hand in Hand

Dirk P. erlitt einen Schlaganfall – er hatte Glück und ein kompetentes Behandlungsteam.

Patient Dirk P. steht neben seiner behandelnden Ärztin Dr. Ramona Schuppner auf einem Stationsflur der MHH.

Patient Dirk P. mit seiner behandelnden Ärztin Dr. Ramona Schuppner. Copyright: Karin Kaiser/MHH

In Deutschland kommt es jedes Jahr zu rund 270.000 Schlaganfällen – nicht selten mit tödlichem Ausgang. Daher lautet die Maxime „Time is brain“. Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Die Betroffenen müssen möglichst schnell behandelt werden, um das Risiko für bleibende Schäden zu verringern. Wie wichtig rasches Handeln in der Situation ist, erfuhr auch Dirk P. Weil viele Fachleute unterschiedlicher Disziplinen Hand in Hand agierten, konnte er nach seinem Schlaganfall die MHH ohne Beschwerden verlassen.

Schlaganfall zunächst nicht ernst genommen

Der 47-Jährige aus der Nähe von Diepholz erlitt zu Hause in seinem Garten einen Schlaganfall. Die Gefahr, in der er sich befand, erkannte er zuerst nicht. „Ich dachte, es sei nur ein kleiner Schwächeanfall. Aber meine Kinder machten mich darauf aufmerksam, dass meine linke Gesichtshälfte runterhängt und ich verwaschen spreche“, erinnert er sich. Außerdem sei sein linker Arm „schwer“ geworden und er habe sich unsicher auf den Beinen gefühlt. Die Kinder beharrten darauf, einen Rettungswagen zu rufen. Dieser brachte Dirk P. direkt ins Klinikum Nienburg. Nach ersten Untersuchungen teilten ihm die Ärzte mit, dass er zur Weiterbehandlung dringend in ein Zentrum mit der Möglichkeit einer spezialisierten Schlaganfallakutbehandlung gebracht werden müsse. Etwa 35 Minuten später kam er in der MHH an. Was er nicht wusste: In der Zwischenzeit hatte sich dort schon ein interdisziplinäres Team auf den Notfall vorbereitet.

Bei einem Schlaganfall, auch Apoplex genannt, kommt es in einem Teil der Fälle durch ein Gerinnsel zu einem Gefäßverschluss im Gehirn. Die Folgen sind akute Funktionsstörungen des Gehirns und der Untergang von Hirnzellen. Damit durch den Verschluss möglichst wenige Folgeschäden entstehen, muss die Blutversorgung im Gehirn möglichst rasch wiederhergestellt werden. „Die Kolleginnen und Kollegen in Nienburg hatten bereits CT-Aufnahmen mit Kontrastmittel bei Herrn P. gemacht und den Verschluss einer großen Arterie in der rechten Gehirnhälfte diagnostiziert“, berichtet Dr. Ramona Schuppner, Funktionsoberärztin an der MHH-Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie. Weil das Klinikum Nienburg zum MHH-Teleneurologie-Netzwerk gehört, konnten die Aufnahmen in kürzester Zeit in die MHH gesendet werden und die Neurologie-Teams in Nienburg und Hannover sich per Videoschalte über den Fall austauschen. Darüber hinaus hatten die Nienburger schon mit einer Lyse-Therapie über die Vene begonnen. Das ist eine medikamentöse Therapie, die die Auflösung des Gerinnsels bewirken soll. Damit war die Weiterbehandlung in der überregionalen Stroke Unit gut vorbereitet.

Alle arbeiten Hand in Hand

Die überregionale Stroke Unit der MHH bietet an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr alle Diagnose- und Therapieverfahren für Schlaganfallpatientinnen- und patienten. Dazu gehört neben der Lyse-Therapie auch die sogenannte Thrombektomie. Dabei wird das Blutgerinnsel mit Hilfe eines Kathetersystems entweder abgesaugt oder herausgezogen. Meist wird das Verfahren bei schweren Schlaganfällen, wenn große Gefäße verschlossen sind, angewendet. Der Eingriff wird unter Vollnarkose in der Neuroradiologie vorgenommen.

Auch bei Dirk P. musste eine Thrombektomie durchgeführt werden. „Als ich auf den Eingriff vorbereitet wurde, haben sich sechs Leute um mich gekümmert. Ich habe gemerkt, dass alle Hand in Hand arbeiten und jede Person genau weiß, was sie tut. Gleichzeitig wurde mir jeder Schritt erklärt, so dass ich mich sicher und gut aufgehoben gefühlt habe“, lobt Dirk P. Je schneller die Hirnarterie wieder eröffnet werden kann, umso wahrscheinlicher ist es, dass nur ein kleines Hirnareal zu Schaden kommt. „Bei Herrn P. stellte sich heraus, dass das Gefäß nicht nur verschlossen, sondern an der Stelle auch verengt war. Deshalb hat der Neuroradiologe erst das Gerinnsel entfernt und dann das Gefäß mit einem Stent geweitet, damit der Blutfluss gewährleistet ist“, erläutert Dr. Schuppner.

Die Behandlung von Schlaganfallpatienten ist immer Teamarbeit, viele Disziplinen und Professionen kooperieren dabei. Dazu gehören Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aus der Neurologie, Neuroradiologie, Anästhesiologie, Neurochirurgie, Inneren Medizin und der Gefäßchirurgie. Hinzu kommen Fachleute der Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Sozialarbeit.

„Er hatte großes Glück“

Nach der Thrombektomie kam Dirk P. zunächst für 24 Stunden auf die Intensivstation. „Als ich aus der Narkose aufwachte, konnte ich mich nicht an alles erinnern, aber ich habe sofort gemerkt, dass alles wieder funktionierte und ich keine Beschwerden oder Einschränkungen hatte“, erinnert sich der Mann aus Diepholz. Vor der Arbeit des Teams auf der Stroke Unit hat er einen riesigen Respekt. „Sie sind nicht nur kompetent, sie sind auch zugewandt und nehmen einen ernst. Das ist doch das Wichtigste für Patientinnen und Patienten.“

Nach fünf Tagen in der MHH konnte Dirk P. entlassen werden – er fühlt sich gesund und munter. „Besser hätte es nicht laufen können“, bestätigt auch seine Ärztin Dr. Schuppner. „Er hatte großes Glück.“ Dieses Glück will P. nicht verspielen. Deshalb hat er sich eins vorgenommen: „Ich will unbedingt mit dem Rauchen aufhören!“ Dr. Schuppner hofft, dass er dieses Ziel erreicht, denn Rauchen gehört neben starkem Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes Mellitus, hohem Cholesterinspiegel und Vorhofflimmern zu den Risikofaktoren für einen Schlaganfall.

Text: Tina Götting