Gesundheit

Erste zertifizierte Lipidambulanz für Kinder in Norddeutschland

Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: MHH-Kinderklinik diagnostiziert und therapiert Fettstoffwechselstörungen im Kindes- und Jugendalter.

Eine junge Frau hält ein Röhrchen mit einer Blutprobe in der Hand.

Blutuntersuchung: Die Medizinische Fachangestellte Berfin Yildiz setzt ein Probenröhrchen in eine Zentrifuge. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Bei einer Fettstoffwechselstörung, auch Lipidstoffwechselstörung genannt, ist das Verhältnis der Fette im Blut aus dem Gleichgewicht geraten. Symptome der Erkrankung, die oft mit einem deutlich erhöhten Cholesterinspiegel einhergeht, treten oft erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter auf. Doch es gibt auch Kinder und Jugendliche, die davon betroffen sind, ohne dass sie es bemerken. Sie haben damit ein hohes Risiko, schon als junge Erwachsene Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen. Diese jungen Menschen haben in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eine Anlaufstelle: die Pädiatrische Stoffwechselmedizin unter der Leitung von Professor Dr. Anibh Das. Das Team dort ist auf Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter spezialisiert und bietet das gesamte Spektrum der Diagnostik und Therapie. Der Bereich wurde jetzt von der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie (DGFL) zur „Lipidambulanz DGFL“ zertifiziert. Es ist das erste pädiatrische Zentrum dieser Art in Norddeutschland.

Hohe Werte früh erkennen

Funktioniert der Fettstoffwechsel bei Kindern nicht richtig, kann das die Gefäße schädigen und bereits im jungen Erwachsenenalter zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall führen. „Diese Erkrankungen sind vermeidbar, wenn hohe Lipidwerte früh erkannt und behandelt werden“, erklärt Professor Das. Denn die Werte könnten in den meisten Fällen gesenkt werden. „Deshalb ist die Entdeckung im Kindesalter für das gesamte weitere Leben wichtig.“ Rund 200 Kinder und Jugendliche mit einer Fettstoffwechselerkrankung werden jedes Jahr in die Pädiatrische Stoffwechselmedizin überwiesen. Die meisten sind vorher beim Kinderarzt oder bei der Kinderärztin mit zu hohen Lipidwerten aufgefallen. Bei anderen wurde im engen Familienkreis bereits eine Fettstoffwechselstörung diagnostiziert – in diesem Fall wird den jungen Menschen ein sogenanntes Kaskadenscreening angeboten, um weitere Betroffene in der Familie zu identifizieren. Zu hohe Blutfettwerte, vor allem Cholesterin, können verschiedene Ursachen haben. „Bei vielen unserer Patientinnen und Patienten sind sie genetisch bedingt. Andererseits sind aber auch eine ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung verantwortlich für die hohen Blutfettwerte“, erläutert Professor Das.

Genaue Diagnostik

In der Lipidambulanz werden die Kinder und Jugendlichen zunächst umfassend untersucht. Auf Basis einer Blutanalyse, einer Begutachtung der Gefäßwände, eines Elektrokardiogramms und anderer Untersuchungsmethoden erstellen die Fachleute eine genaue Diagnose und eine strukturierte Einschätzung der gesundheitlichen Risiken. „Wenn die Fettstoffwechselstörung eine genetische Ursache hat, können wir mit Medikamenten die Lipidwerte deutlich senken. Allen anderen helfen wir, zu einem gesünderen Lebensstil mit mehr Sport und ausgewogenerem Essen zu wechseln,“ sagt Dr. Christian Menke. Er und seine Kollegin Dr. Julya Hempel und Privatdozentin Dr. Sabine Illsinger sind ärztliche Mitglieder des Teams. Außerdem gehören zertifizierte Ernährungsfachkräfte zur Lipidambulanz für Kinder. Eine enge Kooperation besteht mit der Genetik, Kinderkardiologie und der pädiatrischen Sonographie/Kinderradiologie der MHH.

Prophylaxe fürs Erwachsenenalter

„Die frühe Diagnose und Therapie ist letztendlich eine Prophylaxe fürs Erwachsenenalter“, erklärt Dr. Menke. Deshalb ist der Ansatz der Früherkennung und besseren Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen neben der gesunden Ernährung bereits im Kindesalter auch Teil der Gesundheitsstrategie der Bundesregierung. Die erblich bedingte Fettstoffwechselstörung oder fachsprachlich „Familiäre Hypercholesterinämie (FH)“ ist die häufigste genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung. Allerdings werden in Deutschland nur etwa fünf Prozent der von einer FH-Mutation Betroffenen diagnostiziert. Ein Lipidscreening zur Früherkennung einer FH wird bisher im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung J1 angeboten. Die Kinder sind dann zwischen 12 und 14 Jahre alt. Die J1 wird allerdings von vielen Jugendlichen nicht mehr wahrgenommen. „Wir sprechen uns daher dafür aus, das Lipidscreening bereits bei der U9, also wenn die Kinder fünf Jahre alt sind, anzubieten“, betont Professor Das. Denn die U9-Vorsorgeuntersuchung werde zu 98 Prozent wahrgenommen und böte deshalb viel größere Chancen für eine Früherkennung.

Text: Tina Götting