Akademisches Leben

MHH-Stipendiatin trifft Bundesministerin für Bildung und Forschung Karliczek

Interview mit MHH-Studentin Mikal Obed über Stipendien, Medizinstudium und Migration

MHH-Studentin und Stipendiatin Mikal Obed Copyright: Carolin Korth/MHH

Stand: 21. Juni 2021

Am heutigen Montag trifft MHH-Studentin Mikal Obed die Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek, um mit ihr über Förderungsmöglichkeiten durch Studienwerke zu sprechen. Zu diesem Gespräch hat das Avicenna-Studienwerk die Medizinstudentin als Stipendiatin eingeladen. Es ist das jüngste Begabtenförderungswerk Deutschlands und fördert besonders begabte sowie sozial engagierte muslimische Studierende aller Fachrichtungen. Die Studentin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wird außerdem von der Studienstiftung des Deutschen Volkes und ab November bei einem Forschungsaufenthalt durch das Biomedical Education Program (BMEP) gefördert. Wir sprachen mit ihr über ihr Studium, ihr Gespräch mit der Ministerin und die Möglichkeiten, die sie durch die Stipendien erhalten hat.

Frau Obed, Sie sind Studentin der MHH, studieren im 10. Semester Medizin im Modellstudiengang HannibaL und werden gleich dreifach gefördert: vom Avicenna-Studienwerk, von der Studienstiftung des Deutschen Volkes und ab November erhalten Sie eine Förderung durch das Biomedical Education Program (BMEP) und gehen als Forschungsstipendiatin nach Toronto (Kanada), wo Sie am Peter Gilgan Centre for Research and Learning, dem größten pädiatrischen Forschungszentrum der Welt forschen dürfen. Würden Sie sich als Überfliegerin bezeichnen?
(lacht) Ach, so würde ich mich sicherlich nicht bezeichnen. Ich freue mich natürlich sehr über die Stipendien und auf meinen anstehenden Auslandsaufenthalt, aber dahinter stecken selbstverständlich auch Versuche, die gescheitert oder nicht auf Anhieb geglückt sind. Von daher bin ich sehr dankbar, dass ich im Laufe meines Studiums tollen Mentor:innen an der MHH begegnet bin, die mich bei allem unterstützt haben und dies noch immer tun.

Hatten Sie noch Zeit für Hobbies neben Ihrem Studium?
Ja, absolut! Die ersten Jahre des Medizinstudiums sind zwar sehr fordernd, doch im Laufe der Zeit lernt man dann wie wichtig es ist den Freizeitaktivitäten neben dem Studium weiterhin nachzugehen. Meine Hobbies machen mir unglaublich viel Spaß und verschaffen mir eine Auszeit, die man einfach braucht, um im Gleichgewicht zu bleiben.

Sie treffen heute als Stipendiatin des Avicenna Studienwerkes die Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek. Wie haben Sie sich auf dieses Gespräch vorbereitet?
Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, was mich persönlich in meinem bisherigen Studienverlauf besonders beschäftigt hat. Außerdem habe ich mich mit meinen Mitstipendiatinnen und Mitstipendiaten darüber ausgetauscht, was ihnen besonders am Herzen liegt. Der Fokus des Gesprächs liegt aber vorrangig auf den Möglichkeiten, die mir durch die Förderung eröffnet wurden.

Welche Möglichkeiten waren das?
Dazu zählen beispielsweise die Regionalgruppentreffen der Stipendiat:innen, die wir eigenständig gestalten können. Ich habe mich irgendwann dazu entschlossen, Dr. Nagoud Schukfeh, Oberärztin aus der Abteilung für Kinderchirurgie der MHH, als Dozentin zu einem dieser Treffen einzuladen. Dieser Vortrag über ihren beruflichen und persönlichen Werdegang in der Kinderchirurgie hat mich damals so begeistert, dass ich direkt im Anschluss an den Vortrag ein Blockpraktikum und eine Famulatur angefragt habe. So habe ich dann das Fach Kinderchirurgie für mich entdeckt und bin auf diesem Weg auch Professor Dr. Jens Dingemann begegnet, der ebenfalls Oberarzt in der Kinderchirurgie der MHH ist. Durch seine kompetente Betreuung und seinen persönlichen Einsatz sind mir der Forschungsaufenthalt und die Förderung durch das BMEP möglich geworden. Und das ist eben das Schöne an diesen Förderwerken. Irgendwann ist man nicht mehr Stipendiat:in, doch die Begegnungen aus dieser Zeit beeinflussen die persönliche Laufbahn so entscheidend, dass die Förderung immer Spuren im Lebenslauf hinterlassen wird. Und wenn es gut läuft, dann halten die Beziehungen womöglich ein Leben lang.

Sie haben selbst einen Migrationshintergrund. Haben Sie es dadurch „schwerer“ gehabt im Medizinstudium?
Dass die ethnische Herkunft in Deutschland noch immer einen maßgeblichen Einfluss auf den Bildungserfolg hat, ist ein sehr bedauerlicher Teil unserer deutschen Bildungsrealität. Dadurch wurde mein Studium per se nicht „schwerer“, aber natürlich stehen Menschen mit Migrationshintergrund vor zusätzlichen Herausforderungen in einem bereits sehr anspruchsvollen Studiengang. Diese Schwierigkeiten sind, wenn auch meist subtil, häufig überproportional und einfach intolerabel. Man gibt sein Bestes, zeigt in der Klinik Engagement und erzielt sehr gute Leistungen – und trotzdem trifft man hier und da auf einen systemischen Widerstand und spürt dann einfach die Diskrepanz zu anderen Studierenden. Das ist auf Dauer natürlich frustrierend.

Was hat Sie dann immer wieder motiviert, weiter zu machen?
Zum Glück gibt es ganz viele großartige Dozent:innen, Professor:innen und Ärzt:innen, die Begabung und Engagement würdigen und fördern, und ihren Student:innen in ihrem persönlichen, beruflichen und akademischen Werdegang mit großem Einsatz zur Seite stehen.

Was hat Ihnen am Modellstudiengang HannibaL in Hannover besonders gut gefallen?
Der Patientenkontakt im ersten Studienjahr wird schnell als Selbstverständlichkeit erachtet. Rückblickend stelle ich aber fest, dass das wirklich ein ganz besonderes didaktisches Konzept ist. Die seltenen Krankheitsbilder aus meinen ersten Wochen an der MHH sind mir noch immer sehr präsent, weil wir damals nicht nur mit Faktenwissen, sondern mit echten Patientenschicksalen konfrontiert wurden. Das hat uns bewegt und beschäftigt und so etwas bleibt einem natürlich noch lange im Gedächtnis.

Was möchten Sie als Stipendiatin bei ihrem heutigen Treffen der Bundesministerin Anja Kaliczek mit auf den Weg geben?
Es ist wichtig, einen regen Austausch mit den Studierenden zu pflegen, schließlich legt unsere Generation heute den Grundstein für die Zukunft. Deshalb reicht die Kommunikation mit den Administrationen der Hochschulen in der Regel nicht aus. Politiker:innen sollten das Gespräch mit uns suchen, um die Herausforderungen, mit denen wir täglich konfrontiert sind, aus studentischer Sicht zu begreifen. Nicht zuletzt bin ich dankbar für die Gelegenheit durch das Gespräch mit der Bundesministerin einen Beitrag zur Repräsentation junger, muslimischer Frauen in der Medizin und Wissenschaft leisten zu können.

Wenn Sie drei Wünsche hätten, wie das Medizinstudium der Zukunft aussehen sollte, was wäre Ihnen wichtig?
Zu einer intensiven und realitätsnahen Vorbereitung auf das Berufsleben an einer Uniklinik wirklich gehört auch, dass man sich bereits im Studium mit den Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Arbeitens auseinandersetzt und dass es in das Curriculum aufgenommen wird. Das Studium ist nicht immer ganz einfach. Daher wäre mein zweiter Wunsch, dass wir als angehende Mediziner:innen kollektiv Strukturen schaffen, die den Zugang zu Beratungsstellen erleichtern und vor Stigmatisierung schützen. Als dritten Punkt – und das liegt mir ganz besonders am Herzen – wünsche ich mir, dass wir uns an unseren deutschen Hochschulen gemeinsam für Diversität und gegen Diskriminierung aussprechen, eine kultursensible medizinische Praxis anstreben und an der Repräsentationslücke arbeiten, die noch immer in vielen Fachbereichen klafft.

Und welche Botschaft würden sie Medizinstudent:innen im ersten Studienjahr mit auf den Weg geben?
Im Studium kommen immer wieder anstrengende Phasen auf euch zu, aber meine Botschaft lautet: Haltet durch! Es wird nur noch besser, vor allem nach dem vierten Semester. Falls es euch möglich ist, dann geht unbedingt ins Ausland. Traut euch mal was Neues auszuprobieren: Bewerbt euch für coole Förderprogramme, Summer Schools und Stipendien – man weiß nie, was sich daraus entwickelt. Wenn es nicht direkt beim ersten Mal klappt, dann lasst den Kopf nicht hängen! Wir sind alle schon einmal gescheitert, auch das gehört dazu. Macht während des Studiums viele Hospitationen, um eine Fachrichtung zu finden, für die ihr so richtig brennt. Und versucht bei allem, was ihr tut, Spaß zu haben. Meistens gelingt es dann auch!

Das Interview führte Bettina Dunker.