Zwischen Diagnose und Transplantation: Wie gut sind Patient:innen informiert?

Ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Kommunikationswissenschaft und Psychologie hat dies an der MHH untersucht

Ausgezeichnet von der DGHC (von links): PD Dr. Philipp Felgendreff, Teresa Linge mit Urkunde und Lisa Felgendreff. Copyright: MHH/Reinsch
Ausgezeichnet von der DGHC (von links): PD Dr. Philipp Felgendreff, Teresa Linge mit Urkunde und Lisa Felgendreff. Copyright: MHH/Reinsch

Die Patientenreise bei Nieren- und Lebertransplantationen beginnt meist unauffällig: mit Müdigkeit, Wassereinlagerungen oder Verdauungsbeschwerden. Es folgen Diagnose, oft eine lange konservative Therapie – und wenn diese versagt, bleibt als letzter Schritt die Transplantation. Die Aufnahme auf die Warteliste geht einher mit engmaschigen Kontrollen, Aufklärungsgesprächen und der psychischen Vorbereitung auf den Eingriff. Nach der OP bestimmen Nachsorge, Immunsuppression und psychosoziale Betreuung den weiteren Verlauf.

Studie an der MHH untersucht Informationsbedarf

Wie gut sind Patient:innen vor einer Transplantation der Bauchorgane auf diese Reise vorbereitet? Ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Kommunikationswissenschaft und Psychologie hat das an der MHH untersucht. In einer Studie befragten Teresa Linge, Doktorandin an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie (VCH), und Kolleg:innen 131 Patient:innen der interdisziplinären Transplantationsambulanz zu ihrem Informationsstand und -bedarf vor einer Organtransplantation. „Unser Ziel war es, den Informationsbedarf von Patient:innen vor einer Transplantation zu ermitteln sowie Informationslücken und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren“, erklärt Teresa Linge, die heute Assistenzärztin in Berlin ist.

Informationen fördern Transplantationsprozess

Die Studie zeigte, dass die meistgenutzten Quellen für betroffene Patient:innen Gespräche mit Ärzt:innen, medizinischem Fachpersonal und deren Informationsmaterialien sind – sowie das Internet. „Wir wissen aus internationalen Studien, dass verlässliche, strukturierte Informationen und eine offene, patientenzentrierte Kommunikation das Vertrauen der Patient:innen in die Behandlung fördert und ihre aktive Teilhabe unterstützt“, sagt Lisa Felgendreff, M.Sc., vom Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) in Hannover an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, seit Januar 2025 Gastwissenschaftlerin an der MHH.

Leber- und Nierenpatient:innen: Unterschiedliche Voraussetzungen

Aktuelle Angebote sind oft allgemein gehalten – und nicht auf die spezifischen Anforderungen bei Leber- oder Nierentransplantation abgestimmt. Dabei unterscheiden sich die Bedürfnisse deutlich: Nierentransplantierte sind meist durch Dialyse eng angebunden und gut informiert. Leberpatient:innen hingegen sehen oft nur alle sechs Monate ihre Hausärzt:innen. „Gerade dort sehen wir besonderen Handlungsbedarf“, so Teresa Linge, die für ihr Abstrakt zu der Studie auf dem Fachkongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGHC) 2025 ausgezeichnet wurde.

Ärztliche Kommunikation bleibt zentral

„Die Kommunikation mit den Ärzt:innen wird als zuverlässig und vertrauensvoll wahrgenommen“, betont PD Dr. Philipp Felgendreff, Transplantationschirurg in der VCH. Doch: „Viele Patient:innen, die immer mehr Fragen haben, treffen auf immer weniger Ärzt:innen.“ Umso wichtiger sei es, Informationslücken zu schließen – nicht nur, um Mythen vorzubeugen, sondern auch, um das Outcome der Transplantation zu verbessern.

Fragen zu Wartezeiten, OP-Ablauf, Risiken und Nachsorge gehören laut Studie, an der auch Prof. Dr. Elena Link, Expertin für Wissenschaftskommunikation an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz beteiligt war, zu den häufigsten. Relevante Informationen helfen Patient:innen, besser vorbereitet zu sein, ihre Erwartungen zu steuern – und ein Stück Kontrolle über den komplexen Prozess zurückzugewinnen.

„Dieser Bereich ist in Deutschland noch wenig erforscht. Wissenschaftliche Literatur gibt es bisher fast nur aus den anderen Ländern“, sagt Lisa Felgendreff, deren Forschungsschwerpunkt auf evidenzbasierten Gesundheitsinformationen liegt. Ihr Ziel: Kommunikation, die informiert, statt zu überfordern – und Patient:innen auf Augenhöhe begegnet.