Morbiditätskompression: Beschreibung

 

Die von James Fries formulierte These der Morbiditätskompression postuliert, dass sich die Längen der Perioden, die Menschen im Zustand von chronischer Krankheit und Behinderung verbringen, über die Zeit abnehmen, es wird also gesunde Lebenszeit gewonnen. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen nach Fries in einer allgemeinen Verbesserung von Lebensbedingungen, aber auch in einer Zunahme gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen sowie in einer verbesserten Prävention.

Dieser eher optimistischen Sichtweise steht die von Grünberg bereits 1977 formulierte Expansionsthese gegenüber. Grünberg nimmt an, dass sich als Nebeneffekt des medizinischen Fortschritts die Zeiten verlängern, die Menschen im Zustand von Krankheit und Behinderung verbringen. Demnach werden die Leidensphasen länger, und die Gesundheitskosten werden über die Zeit erheblich steigen.

Ein Mittelweg wurde von Manton 1982 unter dem Begriff des dynamischen Gleichgewichts formuliert. Demnach nehmen Lebenserwartung und die Zeiten in Krankheit und Behinderung zu, die Fortschritte der Medizin verringern jedoch die damit verbundenen Leiden. Menschen mit Erkrankungen würden demnach trotz Erkrankung Alltagsfähigkeiten und Lebensqualität erhalten, sodass sie aktiv am Leben teilnehmen können.

Im Rahmen des Projekts „Die Morbiditätskompression und ihre Alternativen“ werden die drei Konzepte auf ihre Tauglichkeit zur Erklärung der Morbiditätsentwicklung hin untersucht. Wir betrachten häufig auftretende Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes Typ 2 und Lungenkrebs) sowie Funktionseinschränkungen und Multimorbidität, um langfristig zu einer umfassenderen Bewertung zu kommen. Parallel dazu wenden wir die Forschungsergebnisse auf praktische Fragen an, z.B. auf die Frage nach der Länge der Lebensarbeitszeit oder die künftige Schwerpunktsetzung der medizinischen Versorgung.