Forschung

Innovative Forschung auf den Weg in die Klinik bringen

Die Entwicklungsabteilung ATMP-GMPDU am Institut für Zelltherapeutika unterstützt Forschungsgruppen bei der Entwicklung neuer zellulärer Arzneimittel.

Eine Person in voller Schutzkleidung steht in einem Labor an einem Tisch und bedient ein Gerät mit einem gefüllten Blutplasma-Beutel.

Von der Entwicklung im Labor bis zur Produktion im Reinraum: Das Institut für Zelltherapeutika bietet Forschenden Beratung und Hilfe bei der Herstellung neuer Zelltherapien. Copyright: Karin Kaiser/MHH

Stand: 10. Juli 2023

Lebende Zellen zur Therapie zu verwenden ist eine vielversprechende Alternative, wenn klassische Behandlungsmethoden im Kampf gegen schwerste Erkrankungen versagen. Neben der Stammzelltransplantation sind mittlerweile auch Therapien mit genetisch modifizierten Zellen als sogenannte Arzneimittel für neuartige Therapien in Europa zugelassen. Nach ihrer englischen Bezeichnung werden sie Advanced Therapy Medicinal Product genannt, kurz: ATMP. Um Verunreinigungen mit Krankheitserregern oder unerwünschte Effekte zu verhindern, müssen die ATMP unter streng kontrollierten Bedingungen nach den hohen Qualitätsvorgaben der Guten Herstellungspraxis (good manufacturing procedure, GMP) unter Reinraumbedingungen hergestellt werden. Das geschieht in der MHH am Institut für Zelltherapeutika, in der Abteilung Cellular Therapy Centre (CTC). Doch das Institut bietet noch mehr als Herstellung und Qualitätskontrolle. Ein Stockwerk tiefer stellt die Entwicklungsabteilung ATMP-GMPDU Forschungsgruppen der MHH ihre Expertise und Ausstattung zur Verfügung, um gemeinsam innovative Ideen für neue zelluläre Therapeutika zu verwirklichen.

Beratung von Anfang an

„Als Core Facility unterstützen und beraten wir Forschungsgruppen der MHH, wie sie ihre Projekte für die Entwicklung neuer zellulärer Arzneimittel nach den GMP-Vorgaben umsetzen“, sagt Dr. Ruth Esser, Leiterin der Entwicklungsabteilung. Bereits in der Anfangsphase eines Projektes sei es wichtig darauf zu achten, dass die Vorgaben für eine spätere therapeutische Anwendung eingehalten würden, betont die Zellbiologin. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Techniken und Hilfsstoffen. „Wir haben von Beginn des Projektes an bereits die Translation, die klinische Anwendung, im Blick“, erklärt die Wissenschaftlerin. Und da gibt es viel zu beachten, denn auch die beste Forschungsidee kann scheitern, wenn sie den späteren Anforderungen der Herstellungsbetriebe nicht genügt. „Das betrifft mitunter so banale Dinge wie Nährmedien oder Reagenzien, die zwar im Labor einwandfrei funktionieren, für die Herstellung eines Arzneimittels und den Einsatz an Patientinnen und Patienten aber schlicht nicht zugelassen sind“, stellt Dr. Esser fest. Die Core Facility hat die speziellen Anforderungen der potenziellen Industriepartner im Blick und kennt die strikten Regularien, Herstellungsprotokolle und –systeme der zuständigen Behörden wie Gewerbeaufsichtsamt oder Paul-Ehrlich-Institut. Als Bindeglied und Übersetzer zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der MHH und den Pharma-Betrieben sorgt sie dafür, dass Forschung und Herstellung Hand in Hand geht und verringert mögliche Reibungsverluste.

Risiko von Verunreinigungen ausgeschlossen

Doch die enge Zusammenarbeit zwischen den Forschenden und der GMPDU hat auch eine ganz praktische Seite. Denn für bestimmte Phasen des Experimentes können die MHH-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler das sogenannte Clinical Scale Up-Labor der Core Facility nutzen, das ihnen besondere Geräte bietet, die für ein GMP-kompatibles Arbeiten notwendig sind. Dazu gehört etwa ein Gerät, das die automatische Herstellung der Zellen erlaubt. In dem geschlossenen System können Zellen in mehreren Schritten aufbereitet, genetisch umgebaut und vermehrt werden. „Mit diesem Zellprozessierer wird das Risiko von Verunreinigungen auch ohne Zugabe von Antibiotika ausgeschlossen“, betont Dr. Wolfgang Glienke, wissenschaftlicher Mitarbeiter. Auch weitere Zusatzgeräte, die Schläuche steril verbinden oder verschließen, sind notwendig, um GMP-konform arbeiten zu können.

Für die präklinische Forschung mit Zellkulturen hält die Forschungseinheit ebenfalls ein großes Portfolio bereit. „Wir haben zum Beispiel Standardverfahren zur Isolierung, Aktivierung und Vermehrung von T- und NK-Zellen des menschlichen Immunsystems entwickelt, das wir Forschenden der MHH sowie externen Firmen zur Verfügung stellen“, erzählt Dr. Glienke. „Wir können aber natürlich auch andere Zellkulturmodelle entwickeln“, fügt der Molekularbiologe hinzu.

Fluoreszenzmikroskop erlaubt Langzeitbeobachtung von Zellen

Bevor ein neu entwickeltes Zelltherapeutikum in die Produktion geht, muss natürlich kontrolliert werden, ob es auch das tut, was es soll. Das ist bei lebenden Zellen gar nicht so einfach, denn sie müssen unter Bedingungen beobachtet werden, unter denen sie auch weiterleben können. „Zur visuellen Darstellung und Langzeitbeobachtung haben wir ein spezielles Fluoreszenzmikroskop mit einer besonderen Inkubationskammer, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Werte im idealen Bereich aufrechterhält“, sagt Dr. Glienke. Auch die Interaktion verschiedener Zelltypen lässt sich damit untersuchen und in einem Zeitraffervideo festhalten. So zeigt ein Blick ins Mikroskop, ob etwa humane T-Zellen wie CARs und TRUCKs, die im Labor genetisch verändert wurden, Tumorzellen tatsächlich besser erkennen und schneller angreifen als vor ihrer Aktivierung. Auch dieses Angebot können Forschungsgruppen der MHH in Zusammenarbeit mit der Core Facility nutzen.

Ist die präklinische Entwicklung des neuen Zelltherapeutikums erfolgreich abgeschlossen, muss der Prozess noch mindestens dreimal nach festen Vorgaben überprüft werden. Das geschieht wiederum oben in den Reinräumen des CTC. „Nach abgeschlossener Validierung wird die Herstellungserlaubnis vom CTC bei der zuständigen Landesbehörde beantragt. Über eine klinische Studie wird auf Bundesebene vom Paul-Ehrlich-Institut entschieden“, sagt Dr. Lubomir Arseniev, Leiter des CTC. Erst nach der klinischen Prüfung hat das neue Präparat dann eine Chance, am Markt zugelassen zu werden. 

Mehr Informationen für interessierte Forschungsgruppen gibt es unter IZT.ATMP-GMPDU@mh-hannover.de.

Autorin: Kirsten Pötzke