Studium und Lehre

MHH verleiht 151 Doktortitel

Promotionsfeier: Urkunden und Preise für herausragende Arbeiten.

Ein Blick in einen vollbesetzten Hörsaal.

Promotionsfeier: Die Band Medicine for the Soul begeisterte das Publikum mit Jazz- und Popsongs. Copyright: Karin Kaiser / MHH

Zwei junge Frauen

Erhielten Promotionspreise: Dr. Shen Zhong und Dr. Linda Steinacher. Copyright: Karin Kaiser / MHH

151 junge Frauen und Männer in Feierlaune: Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat ihnen am vergangenen Freitag die Promotionsurkunden verliehen – damit dürfen sie fortan den Doktortitel im Namen führen. Bei der Urkundenverleihung waren alle Studienfächer der Hochschule vertreten. Unter den 89 Doktorandinnen und 62 Doktoranden waren 68 Medizinerinnen und 48 Mediziner, drei Zahnmedizinerinnen und drei Zahnmediziner, 17 Naturwissenschaftlerinnen und acht Naturwissenschaftler, drei Humanbiologen sowie eine Doktorandin der Bevölkerungsmedizin (Public Health).

Zum ersten Mal begrüßte die neue MHH-Präsidentin Prof. Dr. Denise Hilfiker-Kleiner die Promovenden sowie deren Familien und Freunde zur Promotionsfeier in der Hochschule. „Mit Ihrer Arbeit haben Sie nicht nur wissenschaftliches Können bewiesen, sondern auch etwas Einzigartiges geschaffen, das unsere wissenschaftliche Welt bereichert“, lobte Professorin Hilfiker-Kleiner die Doktorandinnen und Doktoranden. „Bewahren Sie auf Ihrem weiteren Weg die Neugier, den Mut und den Idealismus und behalten Sie den Leitspruch der MHH ‚Jeden Tag für das Leben‘ immer im Herzen.“ Anschließend rief die MHH-Präsidentin alle Promovenden in kleinen Gruppen auf die Bühne und überreichte ihnen die Promotionsurkunden. Insgesamt 28 Doktorandinnen und Doktoranden schlossen mit Auszeichnung ab.

Zwei Promovierte erhielten die mit je 2.500 Euro dotierten Promotionspreise der Gesellschaft der Freunde der MHH e.V. Die Preise für herausragende Doktorarbeiten überreichte Prof. Dr. Siegfried Piepenbrock, Vorstand der Gesellschaft der Freunde der MHH e.V., gemeinsam mit der neuen Forschungsdekanin Prof. Dr. Meike Stiesch. Die Preisträgerinnen sind Dr. med. Shen Zhong und Dr. rer. nat. Linda Steinacher. Dr. med. Shen Zhong ist ab Juli am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg als Postdoktorandin im Bereich Translationale Bioinformatik tätig. Dr. rer. nat. Linda Steinacher ist Translational Scientist am Institute of Human Biology der F. Hoffmann-La Roche AG in Basel.

Neue Ansätze für personalisierte Therapien bei Lungenkrebs

Dr. med. Shen Zhong erlangte ihren Doktortitel am Institut für Pharmako- und Toxikogenomikforschung der MHH. Ihre Dissertation mit dem Titel „Sex disparities in non-small cell lung cancer: Mechanistic insights from a cRaf transgenic disease model” wurde von Prof. Dr. Jürgen Borlak betreut. In der Arbeit untersuchte Dr. Zhong, wie zirkulierende microRNAs (miRNAs) – winzige RNA-Moleküle im Blut – als nicht-invasive Biomarker zur Diagnose und Therapieüberwachung von Lungenkrebs eingesetzt werden können. Durch die systematische Auswertung von 228 Studien mit insgesamt rund 30.000 Probanden konnte sie 38 miRNAs identifizieren, die zuverlässig zwischen gesunden und erkrankten Personen unterscheiden. Einige dieser miRNAs zeigen auch eine enge Verbindung zu bestimmten Lungenkrebs-Typen und der Ansprechrate auf Krebstherapien.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit war die geschlechtsspezifische Tumorentwicklung. In einem Tiermodell zeigte sich, dass weibliche Tiere deutlich häufiger und schwerwiegender an Lungenkrebs erkranken. Durch umfangreiche Genexpressionsanalysen konnte Dr. Zhong nachweisen, dass insbesondere das Hormon Östrogen zahlreiche krebsrelevante Gene bei weiblichen Tieren aktiviert, darunter Onkogene, Zellzyklusgene und Signalwege, die das Tumorwachstum fördern und das Immunsystem unterdrücken. Auch der Einfluss von Tabakrauch wurde untersucht: Er verstärkte das Tumorwachstum, besonders bei weiblichen Tieren, deutlich und führte zur geschlechtsspezifischen Regulation weiterer krebsrelevanter Gene. Die Ergebnisse zeigen: Sowohl diagnostisch als auch therapeutisch sollten Geschlechtsunterschiede stärker berücksichtigt werden. Die Erkenntnisse aus der Arbeit von Dr. Zhong liefern neue Ansätze für personalisierte, geschlechtsspezifische Therapien bei Lungenkrebs.

Link zur Originalpublikation:https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(23)00329-8/fulltext

Immun-Organoide helfen, Nebenwirkungen von Wirkstoffen zu verstehen

Dr. rer. nat. Linda Steinacher promovierte mit einer Arbeit zum Thema „Investigating Drug-Induced Immune-Related Adverse Events in Human Barrier Organs Using Advanced Immunocompetent Organoid Models”. Die Dissertation entstand in Zusammenarbeit zwischen der MHH, dem Fraunhofer Institut für Toxikologie und der F.Hoffmann-La Roche AG. Betreut wurde die Arbeit von Dr. Lauriane Cabon und Prof. Dr. Armin Braun. In ihrer Dissertation beschäftigt sich Dr. Steinacher mit der Entwicklung sogenannter Immun-Organoide. Zum Hintergrund: Moderne Immuntherapien, wie sie beispielsweise in der Krebsbehandlung eingesetzt werden, können neue und bislang unbekannte Nebenwirkungen hervorrufen. Um diese besser untersuchen und behandeln zu können, sind realitätsnahe Modelle erforderlich, die menschliche Organe und deren Immunsystem möglichst genau nachbilden. In den vergangenen Jahren wurden dazu sogenannte Organoide entwickelt. Das sind kleine, im Labor gezüchtete Mini-Organe, die menschliches Gewebe imitieren. Organoide bestehen jedoch meist nur aus wenigen organspezifischen Zellen und verfügen nicht über eine realistische Immunfunktion.

Hier setzt die Forschung von Dr. Steinacher an. Da das gewebespezifische Immunsystem eine wichtige Rolle beim Auftreten von Nebenwirkungen spielt, entwickelte sie mit ihrer Arbeitsgruppe neue Modelle für den Darm und die Lunge, die Immunzellen enthalten. Dazu gewannen die Forschenden aus frischen menschlichen Gewebespenden sowohl die typischen Zellen der jeweiligen Organe als auch die passenden Immunzellen. Im nächsten Schritt wurden diese gemeinsam kultiviert, sodass sogenannte Immun-Organoide entstanden. Mithilfe dieser Modelle konnte die Arbeitsgruppe die Wirkung verschiedener immunbasierter Krebstherapien genauer untersuchen und die Reaktion des Immunsystem in Lunge und Darm auf bestimmte Medikamente besser verstehen. Die Immun-Organoide werden die Entwicklung neuer, noch wirksamerer Medikamente unterstützen, da sie dabei helfen, die immunvermittelten Nebenwirkungen neuer Wirkstoffe frühzeitig zu erkennen.

Link zur Originalpublikation: https://www.nature.com/articles/s41586-024-07791-5

Text: Tina Götting