Gesundheit

Stoffwechselerkrankt: Kleinkind muss Niere und Leber transplantiert werden

Eine seltene Stoffwechselerkrankung trübte das Babyglück einer jungen Familie. Doch dank einer Transplantation geht es Sohn Malte heute gut.

Eine Frau und ein Arzt stehen an einem Patientenbett in der MHH, auf dem ein 9-Jähriger Junge sitzt und in die Kamera winkt.

„Wir kriegen das gemeinsam hin“, Malte mit Mutter Monique und Dr. Jens Drube. Copyright: Karin Kaiser/MHH

Monique, Michael und ihre Kinder Malte und Marius sind eine fröhliche Familie. Dabei fing ihr Familienleben gar nicht so glücklich an. Denn Malte kam mit einer primären Hyperoxalurie zur Welt. Die seltene Stoffwechselerkrankung zerstört zunächst die Nieren und greift später auch andere Organe an. Daher musste Malte schon als Kleinkind transplantiert werden. Er bekam eine neue Leber und eine neue Niere. Gesund ist er trotzdem nicht, aber er kann heute weitgehend normal leben. Geschafft hat er das mit seinem Lebensmut, der Kraft seiner Eltern und dem Knowhow eines interdisziplinären Behandlungsteams.

Genetischen Untersuchung brachte die Diagnose

Malte wurde im Mai 2014 als Frühchchen geboren. Weil er Atemaussetzer und eine erhöhte Milchsäurekonzentration im Blut hatte, kam er auf die Neu- und Frühgeborenenstation der MHH-Kinderklinik. Zunächst vermuteten die Kinderärzte hinter den Symptomen eine Störung des Energiestoffwechsels. Doch der Verdacht erhärtete sich nicht. Stattdessen brachten die weiterführenden Untersuchungen immer mehr Hinweise auf eine primäre Hyperoxalurie. Durch eine genetische Untersuchung konnte die Diagnose schließlich gesichert werden. „Die primäre Hyperoxalurie ist eine erblich bedingte Erkrankung des Glyoxylatstoffwechsels“, erklärt Professor Dr. Anibh Das, Leiter der Pädiatrischen Stoffwechselmedizin. Die Ursache der Erkrankung liegt in der Leber: Dort findet eine Überproduktion des Stoffwechselprodukts Oxalat statt. „Durch den Überschuss kommt es in den Nieren zu einer Ansammlung von Oxalat, das dort eine Art Nierensteine entstehen lässt“, erläutert Professor Das. Schreitet die Krankheit fort, „versteinert“ die gesamte Niere und stellt ihre Funktion ein. Auch in anderen Organen und Geweben wie Augen, Herz, Knochen und Gefäßen kann sich das Oxalat ablagern und für Schädigungen sorgen. Unbehandelt führt die Erkrankung früh zum Tod der Betroffenen.

Mit sechs Monaten an die Dialyse

Nach der Diagnose musste Malte zunächst in der MHH bleiben. “Auf mich stürzten 1000 Fragen ein, ich wusste ja überhaupt nicht, was alles auf uns zukommt. Ich machte mir große Sorgen um Malte “, erinnert sich Mutter Monique an die schwere Zeit. In der Kinderklinik erklärte man ihr alles genau und versuchte, ihr und ihrem Mann die Angst ein wenig zu nehmen. „Sie sagten, wir würden es gemeinsam hinkriegen. Das hat uns Mut gemacht“, sagt die anpackende Frau. Anfangs reichten Medikamente, um die angegriffenen Nieren zu behandeln. Aber mit sechs Monaten musste Malte dann doch an die Dialyse. Die Blutreinigung konnte als „Bauchfelldialyse“ zu Hause in der Nähe von Cloppenburg durchgeführt werden. Bei dem Verfahren wird kein Dialysegerät verwendet, sondern das Bauchfell wird als eine Art biologischer Filter eingesetzt. Dabei sind Entzündungen eine Gefahr – glücklicherweise gab es bei Malte keine Komplikationen. Zudem war der kleine Junge sehr tapfer. „Er hat alles mitgemacht und super durchgehalten“, bestätigt sein Vater Michael. Sogar in die Kinderkrippe sei er gegangen.

Wie ein Sechser im Lotto

Während der Zeit stand Malte auch schon auf der Warteliste zur Transplantation von Leber und Niere. „Da die Erkrankung ursächlich in der Leber entsteht, muss auch sie ersetzt werden“, erläutert Professor Dr. Ulrich Baumann, der als Leberspezialist und Transplantationsexperte ebenfalls zum Behandlungsteam von Malte gehörte. Mehr als zwei Jahre dauerte es, bis er der Familie endlich die ersehnte Nachricht überbringen konnte: Die Organe für Malte seien da, noch heute solle transplantiert werden. „Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt Monique, die zu dem Zeitpunkt mit dem zweiten Kind hochschwanger war. So bekam Malte am 22. März 2017 eine neue Leber und eine neue Niere – ein Tag, den die ganze Familie nie vergessen wird. In den folgenden Wochen waren die Eltern ununterbrochen bei Malte in der Kinderklinik. Zehn Tage nach der Entlassung kam Maltes Bruder Marius zur Welt.

Viele Fachleute in Betreuung eingebunden

Bei der Diagnose, Behandlung und Nachbetreuung von Patientinnen und Patienten mit einer seltenen und so komplexen Erkrankung wie der primären Hyperoxalurie arbeiten viele Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen eng zusammen. Dazu gehören Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegefachkräfte aus der Neonatologie, der Stoffwechselmedizin, der Hepatologie, der Nephrologie, der Chirurgie, der Kardiologie, der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, der Augenheilkunde und der Zahnmedizin. Alle diese Expertinnen und Experten hat auch Malte bei Behandlungen oder Kontrolluntersuchungen schon kennengelernt.

Alle vier Wochen zur Kontrolle in die MHH

„Die Kooperation aller Fachleute ist das A und O“, sagt Dr. Jens Drube. Der Nephrologe sieht Malte regelmäßig zur Nachsorge. Alle vier Wochen kommt der Junge in die MHH-Kinderklinik, um sich durchchecken lassen. Dazu gehören Blut- und Urinuntersuchungen sowie Ultraschallaufnahmen. „Malte geht es gut. Die Leber ist in Ordnung und auch die Niere funktioniert tiptop“, stellt Dr. Drube fest. Ganz gesund ist er aber trotzdem nicht. „Er wird nierenkrank bleiben und sein Leben lang Medikamente nehmen müssen. Außerdem kann es immer mal wieder zu kleineren Komplikationen wie beispielsweise entzündlichen Ablagerungen in den Gallenwegen kommen“, erläutert der Nierenfachmann. Die engmaschigen Untersuchungen sind vor allem nötig, um eventuelle Abstoßungsreaktionen der Niere schon früh zu erkennen. „Unser Ziel ist eine maßgeschneiderte Immunsuppression. Malte soll genau die Medikamente bekommen, die er braucht, aber auch nicht mehr“, betont Dr. Drube. Er hofft, dass die primäre Hyperoxalurie in Zukunft vielleicht auch ohne Lebertransplantation therapiert werden kann. Es gibt inzwischen neue Medikamente, die diese Hoffnung untermauern.

Malte liebt das Schwimmen

Malte hat sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt und ist ein lebensfroher Junge. An die Transplantation erinnern nur noch die Narben auf seinem Bauch. Der Neunjährige freut sich auf das neue Schuljahr und geht eifrig seinem Hobby, dem Schwimmsport, nach. „Er ist eine richtige Wasserratte“, sagt seine Mutter. Kürzlich hat Malte das Bronze-Abzeichen geschafft.

Text: Tina Götting