Forschung

Mögliche Tumormarker für die Entstehung von Leberzellkrebs gefunden

Ein Forschungsteam der MHH vergleicht Veränderungen auf natürlichen Killerzellen der angeborenen Immunabwehr bei chronisch an Hepatitis-C Erkrankten als Risikofaktor für die spätere Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC).

Sophie Anna Engelskircher und Dr. Norman Woller sitzen vor einem Zellsortierer und zeigen Probenröhrchen für die Durchflusszytometrie.

Haben mögliche Tumormarker für Leberkrebs nach Hepatitis-C-Infektion gefunden: Sophie Anna Engelskircher und Dr. Norman Woller.

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist ein bösartiger Lebertumor, der sich aus entarteten Leberzellen entwickelt. Meist entsteht das HCC in einer stark vorgeschädigten Leber, bei der das Gewebe zerstört wird und vernarbt. Verursacht wird eine solche Leberzirrhose unter anderem durch eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV). Für chronisch HCV-Infizierte ist daher das Risiko für Leberkrebs deutlich erhöht. Zwar gibt es seit einigen Jahren hochwirksame Medikamente – sogenannte direkt wirkende antivirale Mittel. Sie hemmen die Vermehrung von HCV in der Leber, wodurch das Virus meist vollständig aus dem Körper entfernt wird. Die Leberzirrhose bleibt jedoch bestehen und damit auch das Risiko, an einem hepatozellulären Karzinom zu erkranken. Betroffene müssen sich nach HCV-Ausheilung zur Kontrolle daher immer wieder zu Nachuntersuchungen einfinden.

 

Forschende der Klinik für Gastroenterologie Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun eine Möglichkeit gefunden, wie sich das Risiko eines HCC vorhersagen lässt. Das Team um Dr. Norman Woller und Klinikdirektor Professor Dr. Heiner Wedemeyer hat entdeckt, dass die sogenannten natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) bei Patientinnen und Patienten, die nach Behandlung mit den direkt wirkenden antiviralen Medikamenten an einem HCC erkrankten, im Vergleich zu den NK-Zellen Nicht-Erkrankter verändert waren. Diese NK-Zell-Signaturen könnten als Tumormarker dienen, um künftig HCC-Risikopatienten zu ermitteln, bevor die Krebserkrankung ausbricht. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Hepatology“ veröffentlicht worden.

Krebszellen hinterlassen „Abdruck“ auf NK-Zellen

NK-Zellen gehören zum angeborenen Immunsystem. Sie beseitigen von Viren befallene Zellen und Tumorzellen und sind eine der ersten Verteidigungslinien im Kampf gegen Infektionen und Krebs. „In unserer Leber beträgt der Anteil an NK-Zellen zwischen 30 und 50 Prozent aller Immunzellen, so dass sie vermutlich eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Immunität des Lebergewebes spielen“, sagt Dr. Woller. Anders als die Abwehrzellen des erworbenen Immunsystems können NK-Zellen nicht spezifisch auf Antigene reagieren. Sie werden aber von den Erfahrungen beeinflusst, die sie bei der Auseinandersetzung mit dem Tumor machen. „Die Krebszellen hinterlassen sozusagen einen Abdruck auf den NK-Zellen“, erklärt der Biochemiker. Diese Signatur, so vermuteten die Forschenden, könnte die Funktion der NK-Zellen beeinflussen und diese NK-Zellen spielen möglicherweise eine Rolle bei der Beseitigung der Krebszellen, weshalb einige chronisch Hepatitis-C-Erkrankte trotz Ausheilung der Virusinfektion nach einigen Jahren Leberkrebs entwickelten.

 

Bei ihren Untersuchungen half dem Forschungsteam zum einen die große klinikeigene Sammlung an Blutproben von HCV-Betroffenen. „Wir konnten auf acht verschiedene Kohorten zugreifen, die eine große Zeitspanne der HCC-Entwicklung bis zur Diagnose und dem Ausbruch der Krebserkrankung abdecken“, betont Professor Wedemeyer. Zum anderen verfügt die Klinik über einen hochmodernen Zellsortierer. Das spektrale FACS-Analysegerät (Fluorescence Activated Cell Sorting) ermöglicht das Zählen und die Untersuchung von Einzelzellen in einem Flüssigkeitsstrom. „Wir haben vorab ausgewählte Biomarker auf den NK-Zellen mit unterschiedlichen Fluoreszenz-Farbstoffen markiert und dann geschaut, welche Marker wir gehäuft bei welchen Kohorten finden“, sagt Sophie Anna Engelskircher, Doktorandin und Erstautorin der Studie.

Proteine TIM-3 und CD38 als mögliche Tumormarker

Die Analyse zeigte, dass sich auf NK-Zellen von Leberzirrhose-Patienten, die später HCC entwickelten, besonders häufig die Proteine TIM-3 und CD38 befanden, die bei gesunden Kontrollpersonen weitgehend fehlten.TIM-3 ist ein Faktor für die Regulierung der Immunantwort, CD38 beeinflusst die Zellaktivität. „Diese beiden Proteine stehen in klarem Zusammenhang mit der späteren Entwicklung von Leberkrebs und könnten daher als mögliche Tumormarker helfen, das Risiko einer HCC-Entwicklung von Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose nach der HCV-Heilung rechtzeitig einzuschätzen“, sagt Dr. Woller.

Eine Zusammenfassung der Originalarbeit „Impending hepatocellular carcinoma diagnosis in cirrhotic patients after HCV cure features a natural killer cell signature“ finden Sie hier.

Text: Kirsten Pötzke