Erleben statt Überleben

Symposium zu 50 Jahren Transplantation im Kindes- und Jugendalter

PD Dr. Alexander Horke, Leiter des Symposiums und Professor Axel Haverich, Leiter des Transplantationszentrums. Copyright: medJUNGE
PD Dr. Alexander Horke, Leiter des Symposiums und Professor Axel Haverich, Leiter des Transplantationszentrums. Copyright: medJUNGE

 

Kinder sind anders: Ihre Grunderkrankungen, die durch eine Transplantation behandelt werden, unterscheiden sich von denen der Erwachsenen. Der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdisziplinen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Am 2. und 3. September 2022 tauschten sich Expert*innen aus dem In- und Ausland beim Wissenschaftlichen Symposium des Transplantationszentrums der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) aus. Gemeinsam diskutierten sie in interdisziplinär besetzen Sitzungen über die aktuellen Entwicklungen und Besonderheiten aus der Transplantationsmedizin für Kinder und Jugendliche. Die MHH-Expert*innen brachten dabei die Expertise aus 50 Jahren Transplantation von Herz, Lunge, Niere und Leber bei Kindern und Jugendlichen an der MHH ein.

 

 

 

 

Das Programm war vielfältig: Von individuellen  immunologischen Langzeittherapieansätzen und kardiologischen Komplikationen nach Transplantation über psychosoziale Aspekte, Sexualberatung und Familienplanung bis hin zur ex vivo Organperfusion und zu mobilen Herzunterstützungssystemen für Kinder und Jugendliche. Erfreuliche Nachrichten gab es für Mukoviszidose-Patient*innen. Eine neue Medikamenten-Kombination führt dazu, dass sie voraussichtlich kaum noch Transplantationen benötigen werden.

 

Transplantationsnachsorge erhält größeren Stellenwert

Deutlich wurde, dass das Transplant- und Patient*innenüberleben sich in den vergangenen Jahrzehnten bei allen Organen kontinuierlich gesteigert hat. Ging es vor 50 Jahren noch ums Überleben, geht es heute um das Weiterleben mit dem Transplantat. Bei der Lebertransplantation liegt laut Professor Ulrich Baumann, Oberarzt der MHH-Klinik für Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, das Transplantatüberleben mittlerweile sogar bei 41 Jahren, wenn man die Mortalität im ersten Jahr nicht berücksichtigt. Die Transplantierten haben auch dank der Langzeitergebnisse eine sehr gute Lebensqualität. Für sie öffnet sich eine Tür in einen neuen Lebensabschnitt mit vielen Herausforderungen, sozialer, emotionaler und körperlicher Art. Die Rehabilitation, psychosoziale Betreuung, das Selbstmanagement und die gesellschaftliche Integration sind deshalb wichtige Aspekte in der Transplantationsnachsorge. Gleichwohl fehlt es an Standards und Bemessungsgrenzen in diesen Bereichen. Hohe Anforderungen an die Transplantationsmedizin, hohe Anforderungen an die Gesellschaft.


Copyright: medJUNGE
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Personeller Engpass gefährdet Transplantation

Herausgestellt wurden auch die Bedarfe im klinischen Bereich. „Die Transplantationsmedizin erfordert großen Einsatz der Mitarbeiter*innen. 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr. Aber wir brauchen Menschen, die das leisten können“, betonte Professor Jürgen Klempnauer, ehemaliger Leiter der MHH-Klinik für Allgemein- Viszeral- und Transplantationsmedizin, in seinem Vortrag.

Insbesondere in der Intensivmedizin steuert das Gesundheitssystem aufgrund des Personalmangels auf eine Katastrophe zu. „Transplantationsangebote sind uns heilig! Aber diese Situation gefährdet die Organtransplantation akut“, mahnte Dr. Michael Sasse, Leitender Oberarzt mit dem Schwerpunkt Pädiatrische Intensivmedizin an der MHH. Zwar werden alle Transplantationsangebote an der MHH intensiv geprüft und möglichst angenommen, selbst wenn eigentlich kein Bett frei ist. Doch schwerkranke Kinder, bei denen eine Transplantation in Betracht kommt und die möglicherweise akut intensivpflichtig werden, können schon jetzt mangels Ressourcen nicht mehr aufgenommen werden.

Am Ende des Symposiums wurde deutlich, dass für eine erfolgreiche Transplantationsmedizin vier Stellschrauben relevant sind: Eine Organspende auf hohem Niveau, engagierte Pflegekräfte, einsatzbereite Ärzt*innen sowie eine auskömmliche Finanzierung der Transplantationsmedizin. „Ich wünsche mir zum einen, dass wir die gesetzliche Lösung für die Organspende in Deutschland nochmal überdenken. Zum anderen muss die Politik dafür sorgen, dass die Pflege wieder einen Stellenwert in der Gesellschaft erhält. Sie muss für Arbeitsbedingungen sorgen, damit junge Menschen wieder Lust haben, engagiert den Pflegeberuf auszuüben. Hier muss es einen Umschwung geben“, resümierte Professor Axel Haverich, Leiter des Transplantationszentrums und Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. Auch eine junge Generation von Ärzt*innen, die mit Engagement ihrer Arbeit nachgehen, wünscht sich der Leiter des Transplantationszentrums. Die Auswahl zum Medizinstudium sei kritisch zu sehen. „Die Besten müssen nicht unbedingt die Richtigen sein.“