Zwei Geburtstage in einem Jahr

Jan, 28 Jahre alt, seit 2001 herz- und lungentransplantiert

Jan zwischen großen Felsen. Copyright: privat
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„Eine Organtransplantation war die einzige Überlebenschance für mich.“

Hallo, mein Name ist Jan Kurtenbach. Ich bin 28 Jahre alt und habe im Jahr 2001 an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ein neues Herz und eine neue Lunge bekommen. Heute möchte ich gerne meine Geschichte erzählen, wie es dazu kam, was mir Hoffnung gemacht hat und wie sich mein Leben nach der Operation verändert hat.

Die ersten 6 Jahre meines Lebens waren vermutlich wie bei den meisten anderen Kindern: bei jeder Gelegenheit habe ich mit Freunden aus der Nachbarschaft gespielt. Die körperliche Aktivität schien grenzenlos. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mit den anderen nicht mehr mithalten konnte, sobald sie vorausgelaufen sind. Da dies auch meine Eltern nachdenklich gemacht hat, wurde ich untersucht. Diagnose (1999): Primäre Pulmonale Hypertonie. Eine Krankheit, bei der sich der Druck im Lungenkreislauf erhöht und so Atemnot, Müdigkeit und Leistungsabfall hervorruft.


Jan bei seinem zweiten Spaziergang nach der Transplantation auf der Intensivstation mit seinen Eltern am 05.12.2001. Copyright: privat
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In den darauffolgenden zwei Jahren war ich größtenteils in New York zur Behandlung. Einerseits schön, Teile dieser Weltmetropole in so jungem Alter sehen zu können, andererseits auch belastend durch die teils mehrwöchigen Krankenhausaufenthalte und Komplikationen. Die Behandlung hat mir geholfen, doch irgendwann kamen wir zu dem Punkt, an dem eine Organtransplantation die einzige Überlebenschance für mich war. Meine Eltern und ich haben uns bei Herrn Prof. Haverich in der MHH zu einem Gespräch getroffen und uns informiert. Als Kind war es für mich damals im Nachhinein wahrscheinlich gut, dass ich den Ernst der Lage und die Bedeutung einer Transplantation noch nicht im vollen Maße wahrgenommen habe. Eine Frage hatte ich dann aber trotzdem an Prof. Haverich.

Die Vorstellung, ein neues Herz zu bekommen, habe ich damit verbunden, meinen Charakter und persönliche Eigenschaften zu verlieren. Was man halt als Kind so denkt. Er hat ganz cool und trocken geantwortet, das Herz sei nur eine Pumpe, die Blut durch den Körper transportiert. Auch nach nun fast 20 Jahren bleibt mir dieser Tag ganz genau in Erinnerung, als er mir durch seine selbstbewusste, humorvolle und gelassene Art Mut gemacht hat.


Jan während der Physiotherapie im Krankenhaus. Copyright: privat
Jan während der Physiotherapie im Krankenhaus. Copyright: privat

„Wenn ich zurückkomme, bin ich gesund.“

Nach nur sechs Tagen auf der Transplantationsliste bekamen wir beim Abendessen einen Anruf, dass es für mich passende Organe gibt. Dann ging alles ganz schnell. Kurz darauf stand schon der Krankentransport vor unserer Tür. Meine Großeltern kamen noch vorbei, um mir viel Glück zu wünschen und sich von mir zu verabschieden. Kurz bevor wir losgefahren sind, habe ich meiner Oma noch die Worte zugerufen: „Wenn ich zurückkomme, bin ich gesund.“
Ende November 2011 war es dann soweit, ich wurde von Prof. Haverich und seinem HLTX-Team in Hannover transplantiert. Die anschließenden Wochen auf der Intensivstation waren zunächst sehr kritisch. Doch nach und nach habe ich irgendwie gemerkt, dass etwas anders ist. Ich hatte Farbe im Gesicht, der Appetit kam zurück und ich konnte schon bald die ersten Schritte auf dem Stationsflur gehen. Durch regelmäßige Physiotherapie und die stetige Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit konnte ich das Weihnachtsfest im selben Jahr noch zu Hause mit meiner Familie verbringen.


Jan hängt in einem Sicherheitsgurt an der Kletterwand. Er trägt einen Mundschutz. Copyright: privat
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„Ich konnte endlich wieder Fußball spielen.“

Zurück im Alltag war es für mich anfangs noch sehr ungewohnt, mit dem Mundschutz in die Schule zu gehen, Menschenmassen zu meiden, und täglich meine Tabletten zu nehmen. Doch es gab auch die schönen Seiten des „neuen Lebens“. Ich konnte endlich wieder Fußball spielen und war körperlich immer belastbarer. Da mir das in den schwierigen Jahren zuvor besonders gefehlt hat, war es für mich auch eine große Motivation, eines Tages wieder auf dem Platz zu stehen und gemeinsam mit meinen Mannschaftskollegen spielen zu können. Ein unbeschreiblich schönes Gefühl! 

 

„Heute studiere ich in Greifswald an der Ostsee.“

In den Jahren danach habe ich regelmäßig den Ederhof in Osttirol besucht, eine Einrichtung speziell für Kinder und Jugendliche vor und nach Organtransplantation. Für mich war es spannend, sich mit anderen Kindern und Familien auszutauschen, die eine ähnliche Vergangenheit haben. Als Kind war es für mich zudem sehr hilfreich, ein Bewusstsein dafür zu bekommen, wie ich nun mit meinen neuen Organen leben werde. Außerdem gab es dort so viele tolle Aktivitäten wie Klettern und Skifahren, die nun wieder alle möglich waren.

Heute studiere ich in Greifswald an der Ostsee, kann unbeschwert Sport machen und fühle mich rundum gut. Die Transplantation ist nun bereits fast 20 Jahre her und bis heute bestreite ich selbstständig meinen Alltag und habe gelernt, mit einer gewissen Vorsicht und doch unbeschwert durchs Leben zu gehen.


Jan auf der Skipiste. Copyright: privat
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„Für das alles bin ich sehr dankbar. Daher kann ich nur jedem Mut machen, der in einer ähnlichen Lage ist, wie ich damals.“

Rückblickend ist diese Geschichte für mich manchmal selbst schwer zu glauben. So viele Menschen haben mir durch diese oft belastende Zeit geholfen, ganz besonders meine Familie und Freunde. Für meine beiden kleinen Schwestern war das auch keine leichte Zeit, da ich oft die größte Aufmerksamkeit hatte und sie regelmäßig für längere Zeit bei meinen Großeltern waren, während ich im Krankenhaus sein musste.

Für das alles bin ich sehr dankbar. Daher kann ich nur jedem Mut machen, der in einer ähnlichen Lage ist wie ich damals. Es läuft nicht immer alles reibungslos und manchmal fragt man sich wirklich, wie viele Rückschläge man noch hinnehmen muss. Doch manchmal hilft es, sich die kleinen Freuden eines „normalen“ Alltags immer mal wieder in den Kopf zu rufen und sich zu sagen, ich gebe nicht auf! Dies hat mir persönlich sehr geholfen. Ich hoffe, ich konnte dem/der ein oder anderen ein bisschen Mut machen und zeigen, dass man trotz einiger Umwege auch ans Ziel kommen kann.