Forschung

Lebertransplantiert: Individuelle Nachsorge verbessert Prognose

Regelmäßige Biopsien führen zu geringerer Immunsuppression und weniger Nebenwirkungen

Copyright: Karin Kaiser / MHH

Eine Biopsienadel, mit der Ärztinnen und Ärzte regelmäßig Gewebeproben entnehmen, um die Immunsuppression für jeden Betroffenen individuell zu steuern; Copyright: Karin Kaiser / MHH.

Stand: 01. Oktober 2021

Nach einer Lebertransplantation müssen Patientinnen und Patienten ein Leben lang das Immunsystem unterdrückende Medikamente einnehmen. Diese sogenannten Immunsuppressiva verhindern, dass das Organ abgestoßen wird. Die Medikamente erhöhen jedoch das Risiko für Krebs und schwerwiegende Infektionen. Sie können auch die Nierenfunktion erheblich beeinträchtigen und sogar zur Dialyse führen. Um den Betroffenen so viel Immunsuppression wie nötig, aber so wenig wie möglich geben zu können, setzen Ärztinnen und Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf ein spezielles Nachsorge-Programm: Anhand von Gewebeproben steuern sie die Immunsuppression für jeden Betroffenen individuell.

„Noch immer sterben mehr Transplantationspatienten an Erkrankungen, die durch die Einnahme der Immunsuppressiva begünstigt werden als am Transplantatversagen“, erklärt Privatdozent Dr. Richard Taubert, Oberarzt der Lebertransplantationsambulanz der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie. „In unserem Programm hat bei etwa 80 Prozent der Patienten die Biopsie unsere Nachsorge unmittelbar beeinflusst, und bei bis zu 60 Prozent der Patienten konnte die Immunsuppression reduziert werden.“ Emily Saunders, Assistenzärztin und Doktorandin in der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie ergänzt: „Der Vergleich zu einer früheren Patientenkohorte vor Einführung des neuen Nachsorgeprogramms zeigte, dass die geringere Immunsuppression das Abstoßungsrisiko nicht erhöht, dafür aber einen positiven Effekt auf die Nierenfunktion der Patienten hat.“ Auch konnten die Ärzte Schädigungen des Transplantats frühzeitiger identifizieren und zum Beispiel durch eine andere oder höhere Immunsuppression behandeln. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team nun in der Fachzeitschrift American Journal of Transplantation.

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit führte Emily Saunders Protokollbiopsien bei Lebertransplantationspatienten mit normalen Leberwerten ab einem Jahr nach Transplantation durch. Bei einer Biopsie entnehmen die Ärzte dem Patienten durch die Bauchdecke mit einer feinen Nadel ein kleines Gewebestück aus der Leber. Dieser Vorgang dauert nur etwa eine Sekunde. Die Stelle wird vorab örtlich betäubt.

Biopsien machten Transplantatschädigungen sichtbar

Insgesamt konnten 211 Patienten untersucht werden. Nur etwa ein Drittel der Protokollbiopsien waren unauffällig. Über 60 Prozent der Proben zeigten Schädigungen der Transplantatleber, wie Vernarbungen des Gewebes oder Entzündungen. „Diese Schädigungen hätten wir anhand der Laborwerte und dem klinischen Zustand der Patienten nicht erkennen können, sodass eine Steuerung der Immunsuppression nach Lebertransplantation ohne Biopsien ein Blindflug ist“, sagt Dr. Elmar Jäckel, ebenfalls Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, der das Programm gemeinsam mit Dr. Taubert koordiniert.

Keine relevanten Komplikationen durch die Untersuchung

„Die Beobachtungen belegen, dass die Protokollbiopsien sicher sind und keine relevanten Komplikationen für die Patienten nach sich ziehen“, sagt Dr. Taubert. Anhand des Ergebnisses der Biopsie, den Leberwerten, der Nierenfunktion und anderen Begleiterkrankungen konnte das Ärzteteam die Immunsuppression individuell für jeden Patienten anpassen. Denn: Nicht jeder Patient braucht dieselbe Stärke an Immunsuppression, einige wenige Patienten kämen sogar ganz ohne zurecht. Die Patienten wurden in den folgenden Monaten engmaschig durch ihre Hausärzte betreut. Ein Jahr nach Umstellung der Immunsuppression kamen die Patienten zur Kontrolle erneut in die Ambulanz.

Nur wenige Transplantationszentren führen Protokollbiopsien durch, zum einen aufgrund der vermeintlichen Risiken wie Blutungen und zum anderen, weil bis vor wenigen Jahren unklar war, wie die oben genannten Veränderungen in der Leberbiopsie zu bewerten sind. „Das Langzeitüberleben jenseits des ersten Jahres nach Lebertransplantation hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren trotz erheblicher Verbesserungen in der Chirurgie und der medikamentösen Therapie kaum verbessert. Noch immer gehen zu viele Organe verloren. Mit regelmäßigen Protokollbiopsien ändert sich dies hoffentlich“, sagt Professor Dr. Hans Heiner Wedemeyer, Direktor der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie. Das sei für die Patienten wünschenswert.
 

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