Forschung

Neue Wege in der Bekämpfung von Lungeninfektionen

MHH-Professor erhält „ERC Proof of Concept Grant“ von der EU für die Weiterentwicklung einer neuartigen Immunzell-Therapie

Zu sehen ist eine kindliche Testpuppe, über deren Mund ein Endoskop eingeführt wird.

Projekt „iMAClung“: Ist die Bronchoskopie geeignet ist, um gesunde Makrophagen in die Lunge zu bringen? Copyright: Karin Kaiser/MHH

Bakterielle Lungenentzündungen mit gesunden Fresszellen (Makrophagen) zu therapieren – das ist das Ziel des Teams um Professor Dr. Nico Lachmann, Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Exzellenzcluster RESIST. Die Europäische Union (EU) hat sein Projekt „iMAClung“, mit dem er die nächsten Schritte in Richtung Anwendung der Immunzelltherapie geht, nun mit einem „ERC Proof-of-Concept Grant“ ausgezeichnet.

Bakterielle Lungenentzündungen werden bisher vor allem mit Antibiotika behandelt, die den gesamten Körper beeinflussen. Darüber hinaus gibt es Krankheitserreger, die Resistenzen aufweisen und daher nur eingeschränkt behandelt werden können. Um nun neue Wege zu gehen, sollen Makrophagen, mit denen Professor Lachmann arbeitet, direkt in die Lunge gegeben werden und dort therapeutisch wirken. Makrophagen sind auch normalerweise in der Lunge vorhanden, sie gehören zu den weißen Blutkörperchen; als Teil des Immunsystems beseitigen sie Krankheitserreger. Funktioniert das nicht oder nicht ausreichend, sind schwere Infektionen die Folge, die sogar tödlich enden können. Hier soll die Therapie mit gesunden Makrophagen helfen, die das Team von Professor Lachmann selbst im Labor aus sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) herstellt.

Therapie an Ort und Stelle

Die Fresszellen sollen, anders als Antibiotika oder andere Therapieverfahren, direkt an den Ort der Infektion gebracht werden, um somit effektiv zu wirken. Das nun von der EU geförderte Projekt „iMAClung“ dreht sich darum, ob die Bronchoskopie – eine Methode, bei der eine Sonde über den Rachenraum in die Luftröhre eingeführt wird – geeignet ist, um die gesunden Makrophagen in die Lunge zu bringen. Bleiben die Zellen dort, wo sie wirken sollen? Lösen sie unerwünschte Reaktionen aus und wenn ja, welche? Diese Fragen gilt es zu klären. Um solche Fragen der Sicherheit und Machbarkeit zu beantworten, nutzt das Team spezielles Lungengewebe, welches sich nicht für eine Transplantation eignet. In einem interdisziplinären Team unterschiedlicher Abteilungen der MHH verwenden die Forschenden das Organ Care System (OCS) der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG) – ein mobiles Gerät, in dem Lungengewebe körperwarm transportiert, von Blut durchflossen und mit Sauerstoff sowie Nährstoffen versorgt wird. Mit diesem Verfahren kann nun erstmals diese neue Immuntherapie nah am Menschen auf ihre Machbarkeit untersucht werden.

Die mit iPS-Technologie hergestellten Makrophagen erlauben neuste Einblicke in der Infektionsmedizin, welche auch andere Arbeitsgruppen nutzen. Dazu gehören auch Teams des Exzellenzclusters RESIST, die virale Infektionen erkunden – beispielsweise die von Professor Dr. Abel Viejo-Borbolla, Professor Dr. Thomas Werfel, Professor Dr. Ulrich Kalinke und Professorin Dr. Dorothee Viemann.

Mit Fresszellen erfolgreich

Ein „ERC Proof of Concept Grant“ soll dazu dienen, das kommerzielle oder gesellschaftliche Innovationspotenzial eines ERC-Forschungsprojekts zu erkunden. Die Auszeichnung können ausschließlich Forscherinnen oder Forscher erhalten, die bereits zuvor vom ERC ausgezeichnet worden sind. Professor Lachmann hatte zum Jahreswechsel 2019/2020 den renommierten „ERC Starting Grant“ von der EU erhalten und damit eine Förderung zu humanen Makrophagen in Höhe von 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre – für sein Projekt „iPSC2Therapy“. Das Projekt beantwortet, wie menschliche Fresszellen (Makrophagen) entstehen und therapeutisch eingesetzt werden können. Im Jahr 2022 hat Prof. Lachmann bereits einen „ERC Proof of Concept Grant“ erhalten – in welchem er mit der Entwicklung der „iPyro-Methode“ Fresszellen zur Detektion möglicher Verunreinigungen in Arzneimittel einsetzen möchte.

RESIST – Wir forschen für die Schwächsten

Professor Lachmann hat seine Professur an der MHH im Rahmen des von der MHH geleiteten Exzellenzclusters RESIST (Resolving Infection Susceptibility). RESIST besteht aus rund 50 Teams, die besonders anfällige Menschen besser vor Infektionen schützen wollen. Dazu gehören in der Klinik tätige Ärztinnen und Ärzte, denen die Situation der Patientinnen und Patienten sehr vertraut ist, sowie Grundlagenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die Krankheitserreger und deren Zusammenwirken mit dem Immunsystem bis ins kleinste Detail erforschen. RESIST besteht aus sechs Partner-Institutionen. Sprecher ist Professor Dr. Thomas Schulz, Leiter des MHH-Instituts für Virologie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert RESIST. Weitere Informationen erhalten auf der Homepage www.RESIST-cluster.de.

Text: Bettina Bandel