Komplementärmedizin: „Es ist mir ein besonderes Anliegen, anderen Betroffenen Mut zu machen“

Ein Kommentar von Patientenvertreterin Silke Schwethelm zur Eröffnung der Klaus-Bahlsen-Zentrums für Integrative Onkologie

Stand: 21.10.2022

Patientenvertreterin Silke Schwethelm. Foto: privat

„Als Patientenvertreterin des Comprehensive Cancer Center (CCC) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) freue ich mich sehr über die Eröffnung des Klaus-Bahlsen-Zentrums für Integrative Onkologie. Es ist mir ein besonderes Anliegen, anderen Betroffenen Mut zu machen, sich neben der konventionellen medizinischen Behandlung, komplementärmedizinischen Methoden zu öffnen. Warum?

Ich erhielt im Jahr 2009 die Diagnose Brustkrebs, 2021 folgte ein Melanom im Frühstadium. Seit 2012 leite ich in Hannover eine Brustkrebs-Selbsthilfegruppe. Aus Erfahrung weiß ich, dass viele von uns Krebspatientinnen und -patienten neben der konventionellen medizinischen Behandlung naturheilkundliche beziehungsweise komplementärmedizinische Methoden anwenden möchten, um den belastenden Krebstherapien etwas entgegenzusetzen und die eigenen Widerstandskräfte zu stärken. Ziel ist es, Nebenwirkungen und Spätfolgen der Behandlung zu lindern, die Lebensqualität, trotz Krebs, zu erhalten oder bestmöglich zurückzuerlangen. Man möchte in dieser schwierigen Lebenslage das Heft wieder ein Stück in die Hand bekommen, denn das geht durch die Krebsbehandlung oft etwas verloren.

Dabei ist mir jedoch wichtig, Betroffene zu sensibilisieren, dass nicht alle Angebote die man „draußen“ findet, seriös sind. Wie aber kommen wir Krebsbetroffenen an die Informationen, welche komplementären Methoden sinnvoll sind, was angewendet werden kann oder was gemieden werden sollte?

Einige Ärztinnen und Ärzte haben sich zum Thema komplementäre und begleitende Methoden weitergebildet und können Interessierte fachgerecht und gut beraten. Die neue S3-Leitline „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen“ bietet sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Betroffenen Orientierung zum Einsatz verschiedener Verfahren. Das ist wichtig, da es auch Behandler gibt, die Methoden anbieten, die beispielsweise wirksame Krebsbehandlung auf sanfte Art versprechen und damit die konventionelle Krebstherapie ersetzen wollen. Oder sie suggerieren gar, dass ALLE geheilt werden könnten – mit (zweifelhaften) Verfahren – die dann natürlich selbst bezahlt werden müssen. Zudem werden verschiedene naturheilkundliche Empfehlungen gegeben: Bei manchen ist die Wirksamkeit in Studien nachgewiesen, aber es gibt auch solche, die keinen Nutzen haben oder sogar schädlich sind.

Das Sinnvolle und das Unseriöse zu erkennen und auseinander zu halten, ist nicht immer einfach. Umso mehr sehe ich das Klaus-Bahlsen-Zentrum für Integrative Onkologie als wertvolle Bereicherung. Mehr noch: Als eine zuverlässige Anlaufstelle. Dort haben wir als Betroffene die Möglichkeit, uns naturheilkundlich umfassend betreuen und behandeln zu lassen. Hier können wir uns sicher sein, seriöse Verfahren angeboten zu bekommen – unter Berücksichtigung unserer individuellen Situation.

Durch die großzügige Unterstützung der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung, für die ich nur herzlich danken kann, wird das Spektrum an Behandlungs- und Beratungsmöglichkeiten stetig ausgebaut. Allem voran geht ein Beratungsgespräch. Hier werden die Wünsche und gesundheitlichen Probleme der Patientinnen und Patienten erfragt und entsprechende Empfehlungen für die weitere Behandlung gegeben. Neben einer sportmedizinischen Beratung und Betreuung kann man sich einer Walking-Gruppe anschließen, die sich monatlich für eine Stunde trifft. Es gibt für Patientinnen und Patienten und Angehörige die Möglichkeit, psychoonkologische Beratung in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt für die palliativmedizinische Betreuung. Bei Fragen rund um die Ernährung unterstützt eine Ernährungsberatung im Zentrum. Komplementäre Pflegemaßnahmen wie die Rhythmische Einreibungen helfen bei Nervenschädigungen durch die Chemotherapie. Schon seit einigen Jahren werden Achtsamkeitskurse, zur Entspannung, angeboten, ebenso ein naturheilkundliches Gruppenangebot: „Stärke deine Selbstheilungskräfte“. Hierbei werden in insgesamt 10 Tagesseminaren unterstützende Therapie-Möglichkeiten (wie z.B. Tanz- und Kunsttherapie, Yoga, Entspannung, Feldenkrais und Aromapflege) vorgestellt und ausprobiert. Es gibt Vorträge zur Homöopathie, Ernährung und Nahrungsergänzungsmitteln, um nur einige zu nennen. Meditationen und Morgenbewegung bereichern alle Termine. In Gruppengesprächen werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Gedanken und Verhaltensweisen verändert werden können, um Stress zu reduzieren und damit die Lebensqualität zu verbessern.

Im Jahr 2019 hatte ich erstmals die Möglichkeit, in das Konzept und die Idee der Integrativen Onkologie an der MHH hinein zu schnuppern. Ich habe an dem 10-tägigen Gruppen-Seminar teilgenommen und kann es allen, die sich für Naturheilkunde in der Onkologie interessieren und ihre gesundheitliche Situation verbessern wollen, empfehlen. Natürlich muss man Lachyoga und Tanztherapie nicht mögen. Aber für alle ist etwas dabei, was einem auf dem Weg nach oder mit der Krebserkrankung weiterhilft.

Falls Sie sich nun als betroffene Person fragen, ob solche unterstützenden Angebote neben der konventionellen Therapie das Richtige für Sie sind, lautet meinen Rat: Probieren Sie es aus. Aus Erfahrung weiß ich, dass die meisten Patientinnen und Patienten begeistert sind.

An dieser Stelle möchte ich allen Mitarbeitenden des Klaus-Bahlsen-Zentrums meinen Dank aussprechen und meine Anerkennung für ihr Engagement zum Ausdruck bringen. Besonders Frau Professorin Steinmann als Leiterin des Zentrums, die sich seit Jahren mit Naturheilkunde in der Onkologie beschäftigt und weiterbildet. Neben ihrer Arbeit als Strahlentherapeutin baut sie die naturheilkundlichen Angebote an der MHH für die Betroffenen immer weiter aus.“

Silke Schwethelm
Patientenvertreterin im Comprehensive Cancer Center (CCC) Hannover

 

Weitere Informationen unter www.mhh.de/klaus-bahlsen-zentrum