Nach der Transplantation heißt es für mich nicht mehr Überleben, sondern Leben

Wiebke, 16 Jahre alt, seit fünf Jahren nierentransplantiert

Die nierentransplantierte Wiebke mit Bergen im Hintergrund. / Copyright: Wiebke Querfeld-Rabe
Copyright: Wiebke Querfeld-Rabe

Organversagen kann jeden von heute auf morgen treffen und ganz plötzlich ändert sich dein ganzes Leben für immer.

 

Dort wurde festgestellt, dass ich ein akutes Nierenversagen hatte

Mit 11 Jahren wurde ich von meiner Hausärztin mit Verdacht auf eine Blinddarmentzündung ins Krankenhaus „Auf die Bult“ nach Hannover geschickt. Ich hatte zu der Zeit schon seit längerem Beschwerden wie Übelkeit oder Kopfschmerzen, jedoch wurde es zu dieser Zeit immer schlimmer, sodass mir sogar mein Herz weh tat. „Auf der Bult“ wurden verschiedenste Untersuchungen durchgeführt und mein Zustand wurde immer schlechter und ich fühlte mich ausgelaugt und schwach. Dort wurde dann festgestellt, dass ich ein akutes Nierenversagen hatte und sofort per Krankenwagen in die MHH verlegt werden sollte. In der MHH führten die Ärzte weitere Untersuchungen durch, wichtig war zu diesem Zeitpunkt, dass sie mich wachhielten, obwohl ich nur schlafen wollte.


Meine Eltern mussten viel lernen und hatten eine große Verantwortung für mich

Nach längerer Zeit bekam ich per OP einen ZVK (Zentraler Venen Katheter), wodurch mein Körper eine Blutwäsche bekam, damit sich meine Werte stabilisieren und mein Organismus entlastet werden konnte. Als ich in der Nacht danach aufgewacht bin, war das einer der Besten Gefühle, ich spürte das erste Mal seit langer Zeit keine Schmerzen oder Übelkeit, es war alles weg. Am nächsten Tag bekam ich einen Tenkhoff-Katheter für die Bauchfelldialyse in meinen Bauchraum operiert. Ab dem Tag kam ich jede Nacht für 10 Stunden an die Dialyse. Jedoch hatte die Bauchfelldialyse den Vorteil, dass ich sie von zu Hause aus machen konnte und somit einen möglichst normalen Tagesablauf hatte, da ich am Tag meine Freundinnen treffen und zur Schule gehen konnte. Dabei mussten meine Eltern dies lernen und hatten so eine große Verantwortung für mich. Ebenfalls wurde jeden Monat neues Dialysat geliefert, sodass mein zu Hause einem Lagerhaus glich. Ich musste zudem nun täglich mein Gewicht und Blutdruck messen.

 

Die Ärzte hatten meiner Familie wenig Hoffnung gemacht, dass ich das Krankenhaus je verlassen würde

Im Nachhinein wurde mir erst mitgeteilt, dass es an ein Wunder grenzte, dass ich noch unter den Lebenden war, denn die Ärzte hatten meiner Familie wenig Hoffnung gemacht, dass ich das Krankenhaus je verlassen würde, denn mein Kaliumwert lag bei 8,2 was die Ärzte für fast nicht möglich hielten. Zudem haben sie meiner Familie ca. 20 % gegeben, dass ich überleben werde und sie meinten, dass ich zum damaligen Zeitpunkt noch eine Überlebensdauer ohne Behandlung von 5 Stunden gehabt hätte. Vier Wochen später wurde ich entlassen, zu dieser Zeit musste ich mich an vieles neu gewöhnen und lernen, wie man Tabletten schluckt (habe ich mit Tic Tacs geübt). Eine komplette Ernährungsumstellung und eine strikte Trinkmenge wurden mir vorgegeben. Es war sehr viel auf einmal und es kam öfters zu kleineren Komplikationen, jedoch lernte ich von Zeit zu Zeit mit meiner neuen Lebenssituation umzugehen und das möglichst Beste daraus zu machen. Trotzdem vermisste ich mein altes Leben.

 

Ich hatte auch Angst, wie mein „neues“ Leben aussehen würde

Circa acht Monate später kam der Anruf, dass eine Spenderniere für mich da sei und wir fuhren direkt zur MHH. In diesem Moment war ich von den verschiedensten Gefühlen überwältigt zum einen fühlte ich eine unglaubliche Freude und Aufgeregtheit, zum anderen auch Angst, wie es mir nach der Transplantation gehen würde und wie mein „neues“ Leben aussehen wird. Nach der 6 1/2-stündigen Transplantation (ich bekam Bloc-Nieren), welche mit ein paar Komplikationen abgelaufen war, kamen nun neue Herausforderungen auf mich und meine Familie zu. Durch die OP hat sich ein Hämatom gebildet, welches auf den Nerv meines Beines gedrückt hatte und ich so oft das Gefühl im Bein verloren habe und hingefallen bin. Ich bekam fast ein Jahr lang Physiotherapie, sodass eine zusätzliche Belastung und Herausforderung auf uns zukam. Ebenfalls hatte ich ca. 5 Tage lang überhaupt keinen Appetit und aß fast nix, wodurch meine kompletten Nährwerte sanken und ich dadurch noch zusätzliche Tabletten als Nährstoffersatz nehmen musste. Die Trinkmenge machte mir auch zu schaffen. Nach der Transplantation durfte ich zuerst nur um die 150 ml pro Tag trinken, da ich während der OP mit Wasser vollgepumpt wurde. Jedoch musste ich dann von heute auf morgen 3 Liter zu mir nehmen. Außerdem musste ich kurz nach der Transplantation sehr häufig zu Kontrollterminen oder ich bekam durch mein geschwächtes Immunsystems eine Erkältung nach der anderen. Ich war zudem sehr anfällig für Harnwegsinfekte, wodurch ich des Öfteren in der Notaufnahme landete. Da die Infekte meine neuen Nieren gefährden, muss ich nun prophylaktisch dauerhaft Antibiotika zu mir nehmen.

 

Ich habe seitdem viel erlebt und konnte an viele verschiedene Orte reisen

Jedoch gewöhnte und genoss ich mein "neues Leben" immer mehr und möchte es nie wieder missen und von Zeit zu Zeit wurden die Erkältungen weniger und die Kontrolltermine seltener. Ich habe seitdem viel erlebt und konnte an viele verschiedenen Orte reisen, z.B. London, Österreich, Finnland…. In Österreich war ich zur Jugend-Reha beim Ederhof, welche mir sehr geholfen hat. Man kam mit anderen Jugendlichen zusammen, welche das gleiche erlebt hatten wie man selbst. So kam es zu einem interessanten Austausch untereinander. Ich bin so unendlich dankbar für die Möglichkeit wieder leben zu können, zwar mit Einschränkungen, jedoch auch mit so vielen neuen Möglichkeiten und Freiheiten.

 

Ich habe durch meine Erkrankung erkannt, dass Gesundheit, Familie und Freunde das Wichtigste sind

Ich bin jeden Tag den Menschen dankbar, die entschieden haben, ihre Organe für ihre Mitmenschen zu spenden, denn durch ihre Entscheidung bekommen kranke Menschen eine neue Chance und ein neues Leben geschenkt. Ich habe aus der Vergangenheit vieles erfahren - positives wie auch negatives. Jedoch möchte ich allen mitgeben: „Behaltet euren Kampfgeist und versucht manches positiv zu sehen“. Ich selbst habe durch meine Erkrankung gesehen, dass das Wichtigste die Gesundheit, Familie und Freunde sind und man darauf mehr achtgeben sollte.